Der untaugliche Versuch von Hannovers SPD, mit Straßennamen Politik zu machen
Darum geht es: Der Bezirksrat Mitte in der Stadt Hannover hat entschieden, dass die „Hindenburgstraße“ im vornehmen Zoo-Viertel einen neuen Namen bekommen soll. Das ist eine falsche Entscheidung, meint Klaus Wallbaum.
Zwei Dinge sind erschreckend an den jüngsten Vorgängen im Stadtbezirksrat Mitte der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Erstens ist es die Radikalität, ja fast schon Verbissenheit, in der einige Befürworter einer Namensänderung der „Hindenburgstraße“ ihre Positionen vortragen. Von Differenzierung ist hier keine Spur. Zweitens ist es die damit offenkundig verknüpfte Haltung, man könne mit einem neuen Straßennamen die Vergangenheit quasi auslöschen und neue politische Botschaften für die Zukunft setzen. Beides ist abseitig und kann sogar gefährlich werden.
Hindenburg war kein demokratisches Vorbild…
Vorweg bemerkt: Paul von Hindenburg, der Marschall im Ersten Weltkrieg und spätere Reichspräsident, war kein demokratisches Vorbild. Er hat sicher auch schwerwiegende Fehlentscheidungen getroffen – unter anderem die, mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler 1933 zu versuchen, die nationalsozialistische Bewegung einzugrenzen oder zu spalten. Das waren taktische und strategische Fehler, gepaart mit einer auffälligen Geringschätzung der demokratischen, republiktreuen Kräfte. Aber Hindenburg als „Verbrecher“ zu bezeichnen, wie es jüngst ein SPD-Bezirksratsherr tat, und in ihm eine Inkarnation allen Übels der frühen dreißiger Jahre zu sehen, wie es im entsprechenden SPD-Antrag zum Ausdruck kommt, ist unredlich. Die Verherrlichung geschichtlicher Figuren, von Politikern insbesondere, ist genauso falsch wie ihre Herabwürdigung. Historische Figuren haben immer mindestens zwei Seiten, und solange jemand nicht Menschen verfolgt und unterdrückt, Diktatoren gefördert und Unfrieden gestiftet hat, können auch Straßen nach ihm benannt werden.
Nun kann man bei Hindenburg durchaus die Frage erörtern, ob seine Rolle in der Geschichte nicht überwiegend negativ war. Aber es spricht auch einiges dagegen: Hinter ihm, dem greisen Reichspräsidenten, hatten sich zeitweise die demokratischen Kräfte versammelt. Die Weimarer Republik galt in ihrer Spätphase als derart zerrüttet, dass manche Hoffnung ihrer Anhänger zuletzt auf dem Anti-Demokraten Hindenburg ruhte. Zu seiner Tragik gehört, dass er diese Erwartungen enttäuscht hatte. Eine wichtige historische Persönlichkeit war der Reichspräsident unzweifelhaft, und weil er lange in der Gegend wohnte, die an die heutige hannoversche „Hindenburgstraße“ angrenzt, ist die Namensgebung auch gerechtfertigt. Klar muss aber auch sein: Man erinnert an eine bedeutende Person der Geschichte. Aber man huldigt damit keinem Vorbild, denn ein Vorbild war Hindenburg nicht.
…aber es geht auch um Brüche in Lebensläufen
Wir müssen lernen, die Zweideutigkeiten und Brüche der Lebensläufe aller Menschen zu sehen, die Namensgeber von Straßen, Plätzen und Häusern sind. Hinweistafeln als Erläuterung sind da durchaus sinnvoll. Vor Jahren wurde der zentrale Platz vor dem Landtag, ein wesentlich prominenterer Ort als die „Hindenburgstraße“ im Zooviertel, nach der Philosophin Hannah Arendt benannt – und nicht mehr nach Hinrich-Wilhelm-Kopf, den ersten Ministerpräsidenten Niedersachsens. Das war konsequent, weil seinerzeit Hinweise auf Verstrickungen Kopfs in die Enteignung von polnischen Juden deutlicher zutage traten. Aber ist es deshalb richtig, dass an Kopf nun im und rund um den Landtag gar nicht mehr erinnert wird?
Hier wird ein Hang zum Ausradieren der dunklen Flecken der Vergangenheit erkennbar, der alles andere als nützlich und angemessen ist. Das passt zur Äußerung eines Grünen-Bezirksratsherrn in der Debatte um die „Hindenburgstraße“. Man wolle die Umbenennung, sagte er, „für die nächste Generation, die für ein friedliches und weltoffenes Hannover steht“. Das klingt nach Umerziehung für das Gute im Menschen, ausgeführt über Straßenbenennungen. Wer aber nicht mehr an Hindenburg und Kopf erinnert, damit auch an ihre dunklen Seiten, der kann Geschichte nicht begreifen. Und was kann mehr Anstoß zur Erinnerung geben als ein Straßenname?
Deshalb ist der beste Weg dieser: Die Straße heißt weiter „Hindenburgstraße“, auf Informationstafeln wird aber auf seine schillernde Rolle hingewiesen – und es wird dazu eingeladen, sich mit seinem Wirken und seiner Politik näher auseinanderzusetzen. Vielleicht wäre es am Oberbürgermeister Stefan Schostok, für einen solchen rationalen Umgang mit der Person des früheren Reichspräsidenten zu werben. Dazu müsste er den Mumm haben, die Entscheidung seiner Genossen im Bezirksrat Mitte zu korrigieren. Außerdem sollte im Landtag wieder die Büste von Hinrich-Wilhelm Kopf aufgestellt werden – ebenfalls ergänzt mit einer Informationstafel.