6. Dez. 2020 · 
Kolumne

Der Landvermesser K.

Sind wir nicht alle irgendwie der Landvermesser K.? Heute vor 94 Jahren erschien Franz Kafkas unvollendeter Roman „Das Schloss“, in dem K. in einem Dorf ankommt und um Anerkennung durch die Herrschaft eines Schlosses ringt. Er kämpft mit einem riesigen bürokratischen Apparat, und wie dem Landvermesser geht es nicht wenigen in der heutigen Zeit so, die ihr Auto anmelden, Kindergeld beantragen oder sich durch neue Verordnungen kämpfen müssen. Und so behält Kafkas Satz aus dem Werk bis heute Gültigkeit:
„Es gibt Dinge, die an nichts anderem als an sich selbst scheitern.“
Der Satz lässt sich natürlich auch ohne Weiteres auf die niedersächsische AfD beziehen, die erst im Landtag an sich selbst scheiterte und den Fraktionsstatus verlor und nun im Kampf mit der Politikerin G. ein weiteres Mal Federn lassen muss. Am Wochenende traf sich die Partei in Braunschweig, um die Landesliste aufzustellen, und für manchen AfD-Vertreter mag auch diese Veranstaltung kafkaesk angemutet haben. Kollege W. war vor Ort und berichtet heute im Rundblick.  

Exklusiv berichten wir heute über ein neues breites Bündnis freier Schulen, das sich gegen die seiner Meinung nach jahrelange strukturelle Unterfinanzierung durch das Land zur Wehr setzen will. Nicht nur, dass viele freie Schulen seit Jahren Tariferhöhungen für die Lehrkräfte nur über höheres Schulgeld für die Eltern finanzieren können. Das gesamte Finanzierungssystem ist so überkomplex, dass nicht einmal Kafka sich das hätte ausdenken können.

Für das Kultusministerium gilt derweil Franz Kafkas Bonmot: „Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“

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Derweil könnte das Unwort des Jahres 2010 zehn Jahre später eigentlich noch einmal gewählt werden, denn vieles scheint in diesem Jahr schlichtweg alternativlos zu sein. So findet CDU-Fraktionschef T. die Skepsis der Opposition gegenüber den staatlichen TUI-Hilfen „irritierend“ und der SPD-Wirtschaftspolitiker P. verbittet sich landesseitige „Drohgebärden“ gegenüber der Messe in Hannover.


Aber werden die Geschäftsmodelle der TUI und der Messe in den kommenden Jahren wirklich fliegen können, oder werden die Unternehmen zur neuen Nord/LB für die Steuerzahler? Eine ehrliche und auch schmerzhafte Diskussion darüber sollte alternativlos sein. „Es gibt Möglichkeiten für mich, gewiss, aber unter welchem Stein liegen sie?“, sagt Kafka. Finde den Stein.





Gestern war Nikolaus, und mit der Corona-Regelung für Weihnachtsbesuche, die uns die Landesregierung in die Stiefel gelegt hat, hätte Franz Kafka vermutlich nicht besonders viel anfangen können: „Verwandtengefühl habe ich keines, in Besuchen sehe ich förmlich gegen mich gerichtete Bosheit.“


Für Kafka wäre – mit Ausnahme von Felice Bauer – eigentlich schon die Zwei-Haushalte-Variante ein Haushalt zu viel gewesen.


Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche


Martin Brüning





Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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