Julia Hamburg, Vize-Ministerpräsidentin Niedersachsens, hat angesichts der wachsenden Zahl queerfeindlicher Straftaten dazu aufgefordert, jeden solchen Vorfall zur Anzeige zu bringen. Sie sei froh über die Ansprechpersonen der Polizei, die sich seit einigen Jahren speziell um diesen Deliktsbereich kümmerten, sagte die Grünen-Politikerin zum Auftakt des Christopher Street Day (CSD) in Hannover, einer großen Demonstration für die Rechte queerer Menschen.

Julia Hamburg spricht beim CSD Hannover. | Foto: Kleinwächter

Laut polizeilicher Kriminalstatistik gab es 2023 insgesamt 195 Fälle von Hasskriminalität aufgrund der geschlechtlichen Identität; das Queere Netzwerk Niedersachsen (QNN) kommt nach anderer Zählweise auf 220 Fälle. In beiden Varianten verdoppelte sich die Fallzahl jeweils im Vergleich zum Vorjahr.

Beim CSD Hannover sprachen vor Beginn der Demonstration Vertreter verschiedenster Parteien. Jene von FDP, Grünen und CDU wurden vom ungnädigen Publikum mit Buhrufen empfangen. Die namentlich nicht weiter genannte Repräsentantin der SPD (es war die Juso-Bundesvorsitzende Sarah Mohamed aus Bonn) blieb davon jedoch verschont – vermutlich auch deshalb, weil sie neben der Union auch die eigene Partei und die gesamte Ampel-Regierung mit Kritik überzog.

Jan-Christoph Oetjen (FDP) erinnerte an den Konflikt der EU mit Polen. | Foto: Kleinwächter

Drei Bewerber für das Europaparlament sprachen: Jan-Christoph Oetjen (FDP) erinnerte an die Auseinandersetzung der EU mit Polen, wo Kommunen zeitweise „queer-freie Zonen“ ausgerufen hatten, woraufhin dem Land EU-Gelder vorenthalten wurden. Katrin Langensiepen (Grüne) verknüpfte die Rechte queerer Menschen mit denen von Menschen mit Behinderung. Karoline Czychon (CDU) gab sich mit Blick auf die Geschichte und die Haltung ihrer Partei selbstkritisch, erklärte aber, als junge Kandidatin für einen modernen Kurs zu stehen.

Hatte keinen leichten Stand: Karoline Czychon (CDU) lud zum Dialog ein. | Foto: Kleinwächter

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) führte als einer der Schirmherren gemeinsam mit Hamburg den Demonstrationszug an. Vorab erklärte er, seine Verwaltung werde alle Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrags, die jetzt auf Grundlage des neuen Selbstbestimmungsgesetzes gestellt werden, unverzüglich bearbeiten.

Juri Sladkov als Vertreter des Fußballclubs Hannover 96, der ebenfalls Schirmherr ist, kommentierte das ausgebliebene Gruppen-Coming-Out im Profifußball so: Es sei egal, wer wen liebt, das Ziel sei Normalität.