Die dunkle Holzvertäfelung an der Wand schluckt jedes Licht, allein die Portraits der Altvorderen werden indirekt beleuchtet. Grauhaarige Herren sitzen beisammen, in Anzug und Krawatte. Ihre schweren Lederschuhe versinken im dicken Teppichboden. Es ist die Krisensitzung der 08/15-Bank im Jahr 2013.

„Die Kunden laufen uns davon“, sagt der Chef und fragt nach Vorschlägen. Der übereifrige wie langweilige Vorstandsliebling empfiehlt: „Wir verteilen bunte Fähnchen!“

„Oder“, fällt ihm die einzige Frau im Raum ins Wort, „wir machen es wie die Sparkassen“, sagt sie und führt die Vorteile des konkurrierenden Finanzinstituts aus. „Was brauchen Sie dafür?“, fragt der Chef und erhält als Antwort eine Auflistung des damals noch üppigen Filialnetzes und des opulenten Beraterstamms der Sparkassen.

Das macht die Entscheidung einfach: „Wir machen das mit den Fähnchen.“ Reihum zustimmendes Klopfen auf den Konferenztisch. – Ein zeitlos grandioser Werbespot, hier anzusehen.

So oder so ähnlich habe ich mir auch jene Kabinettssitzung im vergangenen Jahr vorgestellt, in der Niedersachsens Landesregierung beschlossen hat, zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (ganz simpel „Idahobit“ genannt) an allen Regierungsgebäuden die eine oder andere Variante der Regenbogenfahne als Zeichen der Solidarität und des gesellschaftlichen Fortschritts zu hissen.

Hätte man Swantje Schendel von den Grünen damals gelassen, wäre sie sicher aufgestanden und hätte ihrer Landesregierung einmal erklärt, dass man doch das Selbstbestimmungsgesetz uneingeschränkt unterstützen, die Finanzierung der queeren Zentren ausbauen und unabhängige Anlaufstellen für Opfer queerfeindlicher Gewalt einrichten könnte.

Woraufhin Ministerpräsident Stephan Weil dann gesagt hätte: „Wir machen das mit den Fähnchen.“ Reihum zustimmendes Klopfen auf den Kabinettstisch.

An diesem Freitag ist es wieder so weit: Am Idahobit wird bunt geflaggt – vorm Landtag in Zukunft übrigens noch uneingeschränkter, weil man gerade dabei ist, einen vierten, zusätzlichen Fahnenmast zu errichten, wie wir berichteten.

Niedersachsen macht aber nicht nur das mit den Fähnchen, sondern auch das mit der Polizei. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wird die Regenbogenfahne am Hauptgebäude der Polizeidirektion Hannover hissen. Außerdem haben die Veranstalter der Christopher Street Days (CSD) in diesem Jahr vom Haushaltsgesetzgeber noch ein bisschen mehr Geld zugebilligt bekommen, um ihre politischen Kundgebungen und die dazugehörigen Feste besser vor Übergriffen schützen zu können.

Denn im vergangenen Jahr wurden nicht nur mehrere Vorfälle am Rande der bunten Proteste presseöffentlich, sondern auch konkret aktenkundig: 195 Fälle von queerfeindlicher Hasskriminalität hat das Innenministerium registriert, im Vorjahr waren es nur 109.

Der queeren Community reichen Fähnchen längst nicht mehr aus. Noch bevor am Freitag im Landtag das Grundgesetz gefeiert wird, fordern die drei führenden queeren Verbände vorm Leineschloss von der Politik mehr politischen Einsatz und den verfassungsrechtlichen Schutz für queere Menschen.

Wie die Fähnlein am Freitag wehen, werden wir für Sie im Blick behalten. Heute berichten wir zunächst über diese Themen:

• Digitalpakt: Am Donnerstag ist der erste Digitalpakt zur Förderung der digitalen Schul-Infrastruktur ausgelaufen. Kultusministerin Hamburg hat sich im Landtag nun Rückendeckung für das Ringen um die Fördermilliarden vom Bund geholt.
• Büroleiter-Affäre: Kommende Woche geht der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in die nächste Runde. Zwei Staatssekretäre aus der Staatskanzlei werden aussagen – und wohl auch auf die neusten Enthüllungen reagieren müssen.
• Innovationen: Wissenschaft und Wirtschaft wollen die Gründungskultur im Land voranbringen. In der „innovercity“ in Hannover klappt das schon ganz gut. Wie ein Ort sein muss, um Innovationen hervorzubringen, verrät Prof. Martin Grotjahn im Rundblick-Interview.

Halten Sie die Fahne hoch und kommen Sie gut ins Wochenende!
Ihr Niklas Kleinwächter