22. Apr. 2024 · 
Kommunales

Bürgermeister-Amtszeit: Rot-grünes Kräftemessen

Es ist nun sechs Wochen und ein paar Tage her, dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor der Landkreisversammlung auftrat und verkündete: Er sei „guten Mutes, dass wir zügig zu einer Lösung kommen“. Thema war die Amtszeit von Bürgermeistern und Landräten, die nach der Landtagswahl 2013 auf Betreiben von Weil verändert worden war. Bis dahin amtierten die Verwaltungschefs von Gemeinden, Städten und Kreisen in der Regel acht Jahre. Weil und die 2013 neu gebildete rot-grüne Regierungsmehrheit veränderten die Amtszeit auf fünf Jahre. Hintergrund war die Absicht, eine „Synchronisierung“ zu erreichen. Die Wahlen für Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte sollten möglichst zeitgleich stattfinden wie die alle fünf Jahre anstehenden Kommunalwahlen. So sollten nämlich die Bewerber für die Positionen der Verwaltungschefs „Zugpferde“ ihrer Parteien in der Kommunalwahl werden.

Im Januar wirkten sie noch einig: Ministerpräsident Stephan Weil und Vize Julia Willie Hamburg | Foto: Wallbaum


Damit das so klappen konnte, gab es Übergangsfristen und Sonderregeln: Wenn ein Bürgermeister mitten in der Wahlperiode seines Rates neu gewählt werden muss, weil der Vorgänger verstirbt, in den Ruhestand geht oder eine andere Aufgabe übernimmt, dann amtiert der zum Nachfolger gewählte Bürgermeister bis zur übernächsten Kommunalwahl – das können dann unter Umständen bis zu zehn Jahre sein. Der Normalfall ist aber, dass Bürgermeister fünf Jahre im Amt sind. Nun mehren sich seit Jahren Klagen von Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund: Man finde für die recht kurze Amtszeit keine geeigneten Bewerber. Oder anders ausgedrückt: Die Bewerber, die sich melden, sind oft nicht geeignet genug für die Leitung einer Behörde.

Die Kommunalverbände fordern daher seit Jahren, die Kürzung von 2013 wieder rückgängig zu machen – und zu acht Jahren zurückzukehren. Erstmals im Juni 2022 sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD, Foto oben) in der Versammlung des Städte- und Gemeindebundes, er sei an dieser Stelle „gesprächsbereit“. Acht Jahre aber, betonte er, seien „zu lang“. Wenige Monate später kursierte der Vorschlag, man möge die reguläre Amtszeit bei 7,5 Jahren festsetzen. In diesem Fall wäre Weils Erklärung beim Gemeindebund genüge getan, außerdem würde bei jeder dritten Bürgermeister-Wahl eine zeitgleiche Kommunalwahl stattfinden.

In den Rathäusern von Hannover (links), Lüneburg (Mitte) oder Emden (rechts) regieren direkt gewählte Bürgermeister. Doch es gibt auch gute Gründe dafür, dass die Hauptverwaltungsbeamten wieder anders eingesetzt werden. | Fotos: Kleinwächter, Pixabay/Peter Kraayvanger, Link

Diese 7,5 Jahre geistern nun schon ein Jahr durch das Land – ohne dass es eine Verständigung darauf zwischen SPD und Grünen schon gäbe. Jüngst hieß es aus SPD-Kreisen, man habe sich jetzt doch auf acht Jahre geeinigt. Bei den Kommunalverbänden wurde die Nachricht schon verbreitet, doch von der Grünen-Landtagsfraktion wurde dementiert: Eine Verständigung stehe noch aus. Spekuliert wird über eine Verstimmung zwischen den Grünen und der in dieser Frage federführenden Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Da Behrens in der Debatte über die Cannabis-Freigabe auf Bundesebene auf scharfe Distanz zur Position der Grünen gegangen sei, fühlten sich einige Grünen-Politiker in Niedersachsen nicht fair von ihr behandelt.

Ist nun das Zögern der Grünen in der Amtszeit-Debatte eine Retourkutsche dafür? Wenn man Grünen-Politiker fragt, wird unisono noch auf einen besonderen Umstand hingewiesen: Die Reform der Kommunalverfassung sei im rot-grünen Koalitionsvertrag von November 2022 gar nicht erwähnt, und da es hier also nicht um das Abarbeiten des Koalitionsvertrages gehe, müsse Sorgfalt vor Eile gehen. Dass nun das Wort des Ministerpräsidenten im Raum steht, der ja Anfang März eine „zügige“ Festlegung in Aussicht gestellt hatte, ist für viele Grünen-Politiker dann sekundär. Ohnehin betrifft die Bürgermeister-Amtszeit vor allem zunächst Sozialdemokraten und Christdemokraten, die immer noch die große Mehrheit der kommunalen Verwaltungschefs stellen, gefolgt von den Parteilosen. Grünen-Mitglieder in solchen Positionen bleiben bisher noch die Minderheit.

Dieser Artikel erschien am 23.4.2024 in Ausgabe #075.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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