EU-Kommissar Günther Oettinger warnt vor einem Mangel an IT-Spezialisten in Deutschland. Oettinger sagte am Abend vor mehr als 300 Gästen beim Tag der niedersächsischen Wirtschaft in Hannover, in Deutschland gebe es in der Zukunft jedes Jahr eine Nachfrage nach 80.000 zusätzlichen IT-Spezialisten. Die Zahl der Studienabsolventen sei aber nur halb so hoch. „Das ist Sache der Bundesländer. Wir brauchen eine verbindliche Zielvereinbarung mit den Wissenschaftsministern – zum Beispiel für Informatik- und Physikstudienplätze“, forderte Oettinger. Sonst würden die Unternehmen in fünf Jahren viele Aufträge abgeben müssen. „Der Dumme wird dabei vor allem der aufstrebende Mittelstand sein.“

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Zugleich mahnte Oettinger vor einem zu nachlässigen Umgang mit den Gefahren der Cyber-Kriminalität. „Wir sind zu fahrlässig unterwegs“, mahnte Oettinger. Bei der Verkehrssicherheit seien alle hochsensibel mit Nackenstütze, Gurt und Abstandssensoren. „Aber bei der Datensicherheit sind wir unsensibel, obwohl es Hardware und Software dafür gibt. Wir müssen uns interessieren, beraten lassen und investieren“, sagte Oettinger.

Das Thema Arbeit 4.0 stand in diesem Jahr im Mittelpunkt der Veranstaltung. Bei einem Talk zur Zukunft der Arbeit appellierte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), an die Politik, den Sozialpartnern mehr zuzutrauen. „Die betriebliche Realität ist schlauer als die parlamentarische, administrative Realität“, sagte Kampeter. So gebe bei Daimler 12.000 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle. „Die Frage, wie jemand seine Arbeit organisiert, wird also nicht im Bundesarbeitsministerium entschieden, sondern im Unternehmen mit tausenden unterschiedlichen Modellen. Wir können das in den Betrieben lösen, dafür brauchen wir Freiräume“, so Kampeter.

Niedersachsen Wirtschaftsminister Olaf Lies bezeichnete die Digitalisierung als riesige Chance. Die Politik müsse aber für Arbeitnehmer auch eine Schutzfunktion ausüben. „Es braucht einen Rahmen, der eine Sicherheit bietet, dafür haben wir als Politik eine Verantwortung“, sagte Lies. Als Beispiel nannte er sogenannte Crowdworker – Freiberufler, die sich zumeist im Netz außerhalb von Unternehmen um einzelne Mikrojobs bewerben. „Da merken wir, dass uns die Realität rechts und links überholt. Wir müssen erkennen, wenn sich dort eine Arbeits-Parallelgesellschaft entwickelt“, warnte Lies.

Der Präsident der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), Werner Bahlsen, plädierte dafür, das Arbeitsrecht an die Digitalisierung anzupassen. Der Verband veröffentlichte dazu ein entsprechendes Positionspapier. Darin enthalten sind konkrete Forderungen in Bezug auf das Arbeitsrecht. So fordern die Unternehmer zum Beispiel, die vorgeschriebene Ruhezeit von elf auf neun Stunden zu verkürzen und stärker zu flexibilisieren. Die vorgegebene und starre Ruhezeit entspreche in vielen Berufen nicht mehr der globalisierten und digitalisierten Welt. Zudem sollte nach dem Willen der UVN Sonn- und Feiertagsarbeit einfacher genehmigt werden. Auch geringfügige Unterbrechungen während der Urlaubszeit sollten zugelassen werden.