Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) ärgert sich über unzureichende Möglichkeiten bei der Strafverfolgung im Internet. Deutschland solle den Rahmen, den der Europäische Gerichtshof für die Speicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten abgesteckt hat, vollständig ausnutzen, forderte sie am Montag anlässlich der Vorstellung des neuen Lagebilds zu Cybercrime und Kinderpornografie. Dass sich die Ampel-Koalition in Berlin auf das sogenannte „Quick-Freeze“-Verfahren verständigt habe, könne nur ein erster Schritt sein, erklärte Behrens und sagte: „Deutschland muss einen Schritt zulegen, wenn wir uns nicht dauerhaft auf andere verlassen wollen, die uns Informationen zuliefern.“

Polizeipräsident Axel Brockmann, Innenministerin Daniela Behrens und ihr Pressesprecher Oliver Grimm (v.l.) berichten über Cyber-Kriminalität und Kinderpornografie im Netz. | Foto: Kleinwächter

Sie bezog sich dabei auf umfangreiche Datensätze zu Fällen von Kinderpornografie, die Deutschland jährlich aus den USA erhält. Dort werden Videos und Fotos, die im Internet hochgeladen werden, im Zuge einer freiwilligen Selbstkontrolle vom „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC) standardmäßig gescannt und strafrechtlich relevante Fälle automatisiert an die entsprechenden Staaten weitergegeben. Im vergangenen Jahr seien dort insgesamt 36,2 Millionen Hinweise aus 1,5 Millionen Datensätzen angefallen. In Deutschland, beklagt Behrens, führe eine „seltsame Datenschutzdebatte“ zu einer „sehr unbefriedigenden Situation“, in der Täter nationale Schlupflöcher ausnutzen könnten. „Dass Datenschutz wichtiger sein soll als Kinderschutz, kann ich nicht akzeptieren.“

Im vergangenen Jahr wurden von der niedersächsischen Polizei insgesamt 6855 Fälle von Kinder- und 1126 weitere Fälle von Jugendpornografie registriert. Im Innenministerium geht man davon aus, dass die Steigerung von rund 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr neben den Informationen aus den USA auch auf die gesteigerte Sensibilität für dieses Thema zurückzuführen sei. Das wachsende Ausmaß dieses Deliktbereichs hänge zudem mit den wachsenden Möglichkeiten zur Erstellung, Speicherung und Verbreitung des Materials durch leistungsstarke Smartphones zusammen, erklärte Niedersachsens Landespolizeipräsident Axel Brockmann. Bei der Beurteilung der Zahlen zur Kinder- und Jugendpornografie im kommenden Jahr muss allerdings auch eine Veränderung bei der Strafverfolgung beachtet werden: Seit 2021 galten alle Fälle dieser Art als Verbrechen, wurden also mindestens mit einer Strafe von einem Jahr sanktioniert und die Verfahren durften nicht eingestellt werden. Das sorgte dafür, dass häufig auch Eltern, die kinder- oder jugendpornografisches Material zum Zwecke der Anzeige weitergeleitet haben, sich strafbar gemacht haben. Diese Fälle gelten seit Mai nun nur noch als Vergehen. In der Statistik dürfte diese juristische Nachjustierung noch einmal einiges verschieben.

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Im Jahr 2023 erfasste das Landeskriminalamt in Niedersachsen zudem insgesamt 13.218 Cybercrime-Fälle – ein Anstieg um 40 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Den allergrößten Anteil daran haben Fälle von Computerbetrug, also das Abgreifen von Geldbeträgen über Zugangsdaten für das Online-Banking oder über Internet-Bestellungen. Seit 2020 sind sowohl die Fall- als auch die Schadenszahlen durch Betrug im Bereich des Online-Banking um über 400 Prozent gestiegen. Innenministerin Behrens appelliert an die Bevölkerung, auch im digitalen Raum vorsichtig und skeptisch zu sein. Es brauche eine gesunde Portion Misstrauen und es sei ratsam, stets aktuelle Software zu verwenden, um Einfallstore für Kriminelle zu vermeiden. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter schulen und über Schutzmaßnahmen informieren. Cyber-Angriffe auf Unternehmen und Institutionen habe es im vergangenen Jahr in 96 Fällen gegeben – wobei das Landeskriminalamt insbesondere bei betroffenen Unternehmen von einem großen Dunkelfeld ausgeht. Aus Sorge vor einem Reputationsverlust und aufgrund einer geringen Erfolgsaussicht bei Ermittlungen werde die Anzeige solcher Fälle gescheut. Man rechnet mit einem wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe, der aber meist unbekannt bliebe. In den meisten Fällen handele es sich um eine digitale Geiselnahme, erläuterte Behrens. Dabei werden die Daten der Unternehmen, Institutionen und Ämter verschlüsselt und horrende Lösegelder für die Rückgabe verlangt.

Wieder mehr Sportler

In ihrer Funktion als Sportministerin freut sich Behrens über wachsende Mitgliederzahlen in Niedersachsens Sportvereinen. Jeder dritte Niedersachse sei in einem Sportverein aktiv, mit 2,6 Millionen Mitgliedern sei das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht. Für Behrens sei das ein Beleg dafür, dass die intensiven Hilfsprogramme, auch im Zuge der gestiegenen Energiekosten, gewirkt hätten. Reinhard Rawe vom Landessportbund Niedersachsen erklärt, dass die Zuwächse insbesondere bei den Kindern in Turnvereinen zu verzeichnen seien. Bei der anstehenden Olympiade in Paris hofft man auf weit über 30 niedersächsische Spitzensportler, bei den Paralympics geht man von bis zu 18 Qualifikationen aus.