6. Dez. 2017 · Bildung

Auf Niedersachsen kommt ein neuer Rechtsstreit zur Lehrer-Arbeitszeit zu

Dem Land Niedersachsen steht ein neuer Rechtsstreit zur Lehrer-Arbeitszeit ins Haus. Der niedersächsische Philologenverband hat angekündigt, Klage einzureichen. Dabei geht es um die Anrechnungsstunden von vermutlich mehreren tausend Lehrern, die zusätzliche Aufgaben wie zum Beispiel die Leitung von Fachkonferenzen übernehmen oder sich um die technische Ausstattung in den Schulen kümmern. Laut Philologenverband bekommen Lehrer mit den Besoldungsstufen A13 und A14 keine Anrechnungsstunden für diese Tätigkeiten. Allein A14-Lehrer in Teilzeit haben diesen Anspruch – allerdings auch nur anteilig. Der Philologenverband wirft dem Land Niedersachsen einen „skandalösen Umgang mit Gesetz und Recht “ vor. https://soundcloud.com/user-385595761/gymnasiallehrer-planen-neue-klage-gegen-das-land Der Verwaltungs- und Verfassungsrechtler Ulrich Battis kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die derzeit geltenden Regelungen zur Gewährung von Anrechnungsstunden „nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar“ sind. Schließlich erhöhe sich durch die Aufgaben die Arbeitszeit. Wenn dafür kein Ausgleich gewährt werde, verletze der Dienstherr seine Fürsorgepflicht. Battis sprach auf der Pressekonferenz in Hannover von einem Wildwuchs und einer chaotischen Situation. „Es hat dazu schon vor Jahrzehnten Gutachten gegeben, die alle versickert sind. Jetzt gibt es aber eine neue, schärfere Rechtsprechung und die Politik versucht, mit der alten Taktik weiterzumachen. Das lässt sich auch erklären: es wird dadurch nämlich teurer“, sagte Battis. Der Gesetzgeber habe inzwischen eben nicht mehr den weiten Gestaltungsspielraum. Inzwischen gebe es dazu eine Kette von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Wir wollen jetzt angesichts der Rechtslage nicht länger warten und unser Recht durchsetzen.
Der Verband will nun mit voraussichtlich mindestens acht Lehrern vor Gericht ziehen. Offen ist noch, ob es eine Individual- oder eine Normenkontrollklage werden soll. Das Land habe immer nur reagiert, wenn es ein Urteil gab, sagte Helga Olejnik vom Philologenverband. „Es wird verzögert, immer weiter abgewartet. Das ist die bisherige Erfahrung. Wir können nicht wieder ein paar Jahre warten.“ Geschäftsführer Roland Neßler ergänzte, man sei jahrelang für dumm verkauft worden. „Wir wollen jetzt angesichts der Rechtslage nicht länger warten und unser Recht durchsetzen.“

Opposition: Rot-Schwarz muss nun handeln

Man werde das Gutachten von Professor Battis auf dem angekündigten Weg hin zu einer perspektivischen Neufassung der Arbeitszeitverordnung berücksichtigen, hieß es gestern aus dem Kultusministerium. Es sei erklärtes Ziel der Landesregierung, die Regelungen zur Arbeitszeit von Lehrern auf eine zeitgemäße Basis zu stellen. Der neue Kultusminister habe großes Interesse daran, mögliche Unwuchten bei der Lehrerarbeitszeit einvernehmlich zu beheben. Es solle dazu zeitnah eine Dialogrunde geben. Die schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Julia Willie Hamburg, sieht nun die Landesregierung unter Zugzwang. „Rot-Schwarz muss nun handeln. Insbesondere Teilzeitangestellte sind derzeit übermäßig belastet. Das geht häufig auch zu Lasten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und macht den Lehrerberuf unattraktiv." Für den FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling ist eine neue Arbeitszeitverordnung für Lehrer und Schulleitungen überfällig. „Es ist eine Frage der Achtung vor dem Lehrerberuf. Wir wollen die besten Lehrkräfte für unsere Kinder und dazu gehört Motivation statt Überlastung", sagte Försterling, der vom Minister zu Ostern einen ersten Entwurf für die neue Arbeitszeitverordnung forderte.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #218.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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