18. Dez. 2018 · 
Bildung

AfD beteuert: Wir haben nicht vor, auch nur einen Lehrer an den Pranger zu stellen

Die AfD hat am Montag einerseits heftig dementiert, mit dem neuen „Meldeportal“ ihr kritisch gegenüber eingestellte Lehrer denunzieren zu wollen oder dazu aufzurufen, solche Lehrer öffentlich bloß zu stellen. Auf der anderen Seite war die Freude der AfD-Spitze um Fraktionschefin Dana Guth, ihren Stellvertreter Peer Lilienthal und den Bildungsexperten Harm Rykena deutlich erkennbar. Sie sind sichtlich zufrieden, dass noch in den vergangenen Tagen prominente Politiker der anderen Parteien heftige Angriffe auf das AfD-Portal gestartet und damit das mediale Interesse daran noch einmal deutlich gesteigert hatten. Ministerpräsident Stephan Weil hatte im NDR gesagt: „Es ist wirklich widerlich, dass einzelne Lehrer herausgepickt und im Internet – man muss sagen – an den Pranger gestellt werden.“ CDU-Generalsekretär Kai Seefried hatte erklärt: „Wer heute Lehrer politisch brandmarkt, führt morgen Andersdenkende in Zwangsjacken ab.“ Die Grünen-Bildungsexpertin Julia Hamburg erklärte: „Einschüchtern, verleumden, an den Pranger stellen: Mit dieser Plattform zeigt die AfD erneut, dass sie niemanden duldet, der eine andere Weltsicht hat.“ Und der FDP-Schulexperte Björn Försterling nannte die Aktion der Fraktion ein „reines PR-Getöse der AfD“. Philologenverband, GEW und Linkspartei äußerten ebenfalls scharfe Kritik. [caption id="attachment_37343" align="aligncenter" width="780"] Pressekonferenz der AfD-Landtagsfraktion zum Lehrerportal[/caption] Die AfD-Fraktionsvorsitzende Guth erklärte, sie sei wegen dieser großen Aufregung im Vorfeld „fasziniert“, da die Kritiker etwas genau bewerteten, dessen Inhalt sie bis gestern Mittag noch gar nicht hätten kennen können. „Erschreckend“ sei, dass die anderen Parteien Pläne befürworteten, bestimmte Meinungsäußerungen im Netz zu unterbinden, jeglichen Versuch einer Erinnerung an die Neutralitätspflicht der Lehrer in Schulen aber diffamierten. Ein Lehrer dürfe seine Meinung äußern, dürfe Schüler damit aber nicht überwältigen, müsse konträren Positionen Raum geben und den Schülern die Chance geben, sich aus verschiedenen Standpunkten ein eigenes Urteil zu bilden. So sehe es die Leitlinie der Kultusministerkonferenz vor. Nach den Worten des AfD-Bildungspolitikers Rykena, der bis vor einem Jahr Konrektor einer Grundschule im Oldenburger Land war, hätten sich schon mehrere Eltern und Schüler bei der AfD beschwert, da die AfD im Unterricht einseitig dargestellt oder in die Nähe von Rechtsextremisten gebracht worden sei. Teile des Programms seien aus dem Zusammenhang gerissen und überspitzt präsentiert worden. „Mehr als eine Handvoll“ Fälle nennt Rykena. Am Gymnasium in Walsrode hatte die Schülervertretung mit Duldung der Lehrer Anti-AfD-Flugblätter verteilt. Einem Mädchen, das ein Praktikum bei der AfD-Landtagsfraktion habe absolvieren wollen, sei dies von der Leitung ihrer Schule untersagt worden. Ein Schulbuchverlag verteile Materialien, in denen die AfD verunglimpft und in die rechtsextreme Ecke gestellt wird. „Oft bekommen wir Hinweise verknüpft mit der Bitte, das für sich zu behalten – da man andernfalls Nachteile für das Kind in der Schule befürchtet“, erläutert Rykena. Das „Meldeportal“ hat nun nach Darstellung der AfD mehrere Stufen. Zunächst gebe man den Tipp, dass sich Schüler oder Eltern an die betreffenden Lehrer wenden und sie auf ihre Neutralitätspflicht hinweisen sollen, bei Erfolglosigkeit danach an die Schulleitung – und notfalls auch an die Landesschulbehörde, die für entsprechende Beschwerden der richtige Ansprechpartner sei. Solange dort aber ein anonymer Hinweis nur schwer abgegeben werden könne, übernehme die AfD gern die Aufgabe des Briefboten und leite Meldungen an die Behörde weiter. Die Fraktion nehme Fälle, die ihr gemeldet werden, auch auf und prüfe dann nach – zumeist im Gespräch mit dem Beschwerdeführer, darüberhinausgehende Recherchen wolle man nicht anstellen. „Das ist Sache der Schulbehörde“, beteuert Rykena, erklärt später aber auch: „Wenn sich ein Lehrer weiter so verhalten sollte, wie es in der Beschwerde angesprochen wurde, dann bohren wir weiter.“ Der Vorwurf der Denunziation rührt auch daher, dass die AfD auf ihrer Internetseite (www.neutrale-lehrer.de) eine Rubrik „Nachhall“ hat, in der verschiedene Fälle beschrieben werden sollen. Wie Rykena betont, greife man hier nur bereits publizierte Vorfälle auf, die in niedersächsischen Medien schon dargestellt wurden. Außerdem präsentiere man fragwürdige Unterrichtsmaterialien, die bereits öffentlich sind – und in anderen Fällen wolle man Vorgänge anonymisieren, sodass auf Orte, Schulen und Lehrer nicht rückgeschlossen werden könne. „Es ist nicht unsere Absicht, auch nur einen Lehrer an den Pranger zu stellen.“ Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) zeigte sich von dieser Versicherung wenig beeindruckt: „Dieses Portal dient einzig und allein dazu, das Klima in der Schule zu vergiften und bei Lehrkräften den Versuch zu starten, Unsicherheit darüber hervorzurufen, was ich sagen darf und was ich nicht sagen darf.“ Es sei unerträglich, wenn dazu aufgerufen werde, Lehrer zu denunzieren.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #226.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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