22. März 2017 · 
Soziales

Ärztliche Behandlungsfehler? Weniger Fälle werden gemeldet

Die Zahl der Anträge auf Feststellung eines ärztlichen Behandlungsfehlers geht wieder leicht zurück. Das gab die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern bei der Vorstellung ihrer Statistik für das vergangene Jahr bekannt. Allerdings bewegen sich die jährlichen Antragszahlen auf relativ konstantem Niveau. 1353 Anträge reichten Patienten 2016 bei der Schlichtungsstelle ein, im Vorjahr waren es 1446 Anträge gewesen. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, bewertet die Zahl dennoch als Erfolg. „Ich sehe ein stetig steigendes Interesse an dem Angebot“, sagte sie. „Das ist ein wichtiges Zeichen, dass wir weitermachen müssen.“ Lesen Sie auch:   Die 1976 eingerichtete Schlichtungsstelle soll Patienten und Ärzten helfen, sich bei Behandlungsfehlern außergerichtlich zu einigen. Hat ein Patient den Verdacht, seine Beschwerden könnten falsch diagnostiziert worden sein oder die Ursache eines Fehlers während der Operation, so kann er einen Antrag bei der Schlichtungsstelle auf Prüfung seines Falls stellen. Daraufhin überprüfen ein Mediziner und ein Jurist den Antrag und fordern die nötigen Dokumente an. Anschließend wird ein externer Gutachter zugezogen. Dessen Bewertung, die Angaben des Arztes, der Krankenkassen und des Patienten fließen in das Urteil über den Anspruch auf Schadensersatz ein. Das kostenlose Verfahren ist zwar kürzer als der Weg über das Gericht, dauert momentan aber dennoch im Schnitt 16 Monate. Mit knapp 77 Prozent drehen sich die Streitfragen vor allem um Behandlungen, die in einem Krankenhaus gemacht wurden. „Nach größeren Eingriffen merken die Menschen schneller, wenn etwas nicht so ist wie es sein sollte“, sagt Schlichtungsstellen-Geschäftsführerin Kerstin Kols. So lässt es sich auch erklären, weshalb Knochenbrüche, Verschleißerscheinungen von Gelenken oder Blinddarmoperationen am häufigsten Grundlage von Prüfungen zu Behandlungsfehlern sind. Auf die Orthopädie und Unfallchirurgie folgt gleich der Hausarzt, dem ebenfalls oft falsche Diagnosen vorgeworfen werden. Im vergangenen Jahr hat die Schlichtungsstelle in 813 Fällen entschieden. Beim überwiegenden Teil der Verfahren, insgesamt 518, kamen die Experten zu dem Schluss, dass es keinen erkennbaren Behandlungsfehler gab und damit auch kein Anspruch auf Schadensersatz besteht. 65 Mal urteilten sie, dass es zwar einen Fehler in der Behandlung gegeben hat, der aber nicht in einen Zusammenhang mit den geltend gemachten Beschwerden gesetzt werden kann. Und 233 Patienten bekamen Recht. „Wir können und dürfen diese Fehler nicht verstecken“, sagte Ärztekammer-Präsidentin Wenker. Dass Fehler passierten, sei etwas Normales, doch in der Medizin habe jeder Fehler gravierende Auswirkungen. Daher würden die gesammelten Daten auch in der Schulung von Ärzten benutzt. „Unsere Konferenzen, auf denen wir über Behandlungsfehler sprechen und Teilnehmer von eigenen Fehlern berichten, sind sehr gefragt.“ Die hohe Zahl von Ablehnungen begründet Wenker mit einer gesteigerten Erwartung von Patienten.  Das bestätigt auch Professor Winfried Berner, Unfallchirurg im Ruhestand und ehemaliger Chefarzt am Klinikum Hameln. „Viele Patienten gehen gerade nach einem Unfall davon aus, dass sie die Klinik wieder vollständig hergestellt verlassen. Das kann die Medizin aber bisher nicht immer leisten.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #56.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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