Ein runder Jahrestag steht bevor – die 40. Wiederkehr des Tages, an dem die Anti-Gorleben-Proteste ganz Niedersachsen aufwühlte. Die spannende Frage, ob die Anti-Atom-Bewegung die politische Kultur nachhaltig verändert hat, wird jetzt in Hannover wissenschaftlich aufbereitet. Darum kümmert sich das „Institut für Didaktik der Demokratie“ (IDD) der Leibniz-Uni in Hannover. Es stehen demnächst einige Untersuchungen an, die um den geplanten Endlager-Standort Gorleben ranken. In den siebziger Jahren waren die Vorbehalte gegenüber der Kernenergie noch nicht sonderlich ausgeprägt – weder bei der sozialliberalen Koalition in Bonn unter den Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt, noch bei den Christdemokraten, die von 1976 an in Niedersachsen an der Regierung waren. Aus Bonn wurde Druck entfaltet, in Niedersachsen solle ein Standort für Atommüll-Lagerung und Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennstäben entstehen. Am 22. Februar 1977 erklärte Ministerpräsident Ernst Albrecht, Gorleben im äußersten Nordostrand Niedersachsens, nahe der Grenze zur DDR, solle zum nuklearen Entsorgungszentrum ausgebaut werden. Das versprach tausende Arbeitsplätze.


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Der Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung, die bis dahin vor allem in Süddeutschland (seit 1974 organisierten sich Bürgerinitiativen gegen das geplante Kernkraftwerk Whyl am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg) aktiv wurde, gab Gorleben einen gewaltigen Schub. Die Landesregierung hatte seinerzeit offensichtlich nicht mit so starkem Widerstand der Bevölkerung gerechnet. Am 25. März 1979 startete ein „Treck“ von Bauern aus Lüchow-Dannenberg nach Hannover. Als drei Tage später das Atomunglück im Reaktor Harrisburg in den USA geschah, verstärkte das die Protestbewegung. Am 31. März 1979 nahmen mehr als 100.000 Menschen an der Abschlusskundgebung in Hannover teil, das wird heute als eine „Initialzündung der deutschen Anti-AKW-Bewegung“ bezeichnet. Schon ein Jahr vorher hatte bei der Landtagswahl 1978 die „Grüne Liste Umweltschutz“ – noch konservativ geprägt – mit 3,86 Prozent einen Achtungserfolg erzielt. Mit Gorleben gelang es der Anti-Atom-Bewegung nicht nur, die traditionell konservative Bauernschaft in Lüchow-Dannenberg auf ihre Seite zu ziehen. Einige schwärmen auch von einer neuen Protestkultur. Es sei gelungen, Künstler und Kulturschaffende in das Wendland zu ziehen, die Öko-Landwirtschaft sei geprägt worden – auch eine Form des basisdemokratischen Gemeinschaftsgefühls, das sich von den Entscheidungsträgern in Hannover und Bonn absetzte. Skeptiker beklagen, der ausgesprochen emotional geführte Anti-Atom-Protest habe die extreme Polarisierung zwischen Anhängern und Gegnern der Kernkraft gefördert.

Ausstellung zum Treck im Historischen Museum

Das IDD der Leibniz-Uni Hannover bereitet die Gorleben-Geschichte auf, es arbeitet dazu mit anderen Institutionen, auch im Wendland, eng zusammen. Am 26. März beginnt dazu eine Ausstellung im Historischen Museum in Hannover, vom 21. und 22. Juni bietet die Historische Kommission Niedersachsen eine Tagung an, der den Gorleben-Treck in die Entwicklung neuer sozialer Bewegungen einordnen soll, berichtet die IDD-Forscherin Jenny Hagemann. Mit Beginn der Anti-Gorleben-Proteste hat die Landespolitik in Niedersachsen ein Thema erhalten, das über viele Jahre – manche meinen bis heute – zu den emotionalsten Fachgebieten zählte. Die Grünen verdanken ihren Aufstieg in Niedersachsen sehr stark diesen Wurzeln, allerdings kam es in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung und der Suche nach einem Atomkonsens auch zum Bruch zwischen eingefleischten Gorleben-Aktivisten aus dem Wendland und Grünen-Politikern, denen ihre zu große Kompromissbereitschaft verübelt wurde.