(rb) Der von den Bundesländern Niedersachsen und Bremen für rund eine Milliarde Euro gebaute einzige deutsche Tiefwasserhafen nimmt gewaltig an Fahrt auf. Herrschte nach seiner Eröffnung in Wilhelmshaven Ende 2012 eine lange andauernde Flaute an der 1,7 Kilometer langen Kaimauer des JadeWeserPort, hat der für die neue Generation von Riesenschiffen geschaffene Tiefwasserhafen in den vergangenen Monaten seine Umschlagzahlen kräftig steigern können: Nachdem im ersten vollen Betriebsjahr 2013 gerade einmal 76 000 statt der prognostizierten 700 000 Container auf dem riesigen Hafenareal umgeschlagen wurden, rechnet Hafenbetreiber Eurogate in diesem Jahr bereits mit 500 000 Containern.
Niedersachsens SPD-geführte Landesregierung wähnt den Hafen endlich auf der richtigen Spur. Als Ministerpräsident Stephan Weil Ende Juli auf seiner Sommerreise Station in Wilhelmshaven machte, lobte er den heutigen Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler, SPD-Vorsitzenden und ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel, der im Jahr 2000 die Idee zum Bau des Hafens auf die politische Tagesordnung gehoben hatte. Weil wagte zudem einen mutigen Blick in die Zukunft. Man müsse nun über den nächsten Bauabschnitt nachdenken, sagte er öffentlich. Sein Parteifreund, Wirtschaftsminister Olaf Lies, in Wilhelmshaven geboren und vor den Toren der Seehafenstadt im friesländischen Sande zu Hause, stimmte nicht nur in das Loblied seines Kabinettschefs auf den Parteivorsitzenden ein. Auch Lies favorisiert eine zweite Ausbaustufe. Eine in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie werde wohl noch in diesem Jahr auf dem Tisch liegen, kündigte der Minister an und machte keinen Hehl aus seinen Interessen für das Hafenprojekt in Wilhelmshaven. Die ersten planungsrechtlichen Schritte seien eingeleitet.
Dabei hatte der Tiefwasserhafen einen denkbar schlechten Start hingelegt. Auch 2014 lief es noch nicht rund. Eurogate musste seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, und überregionale Medien sagten dem Hafenprojekt eine miese Zukunft voraus. Doch Eurogate schaffte es mit Hilfe kräftiger Unterstützung der Landesregierung schließlich, gleich mehrere weltweit agierende Schifffahrtslinien zum Festmachen in Wilhelmshaven zu bewegen. Inzwischen legen fast täglich die Riesenschiffe mit einer Ladekapazität von bis zu 18 000 Containern an der Kaje an. Sie bedienen Linien in den Orient und in den Fernen Osten. Japan, Malaysia, Indien und China sind damit direkt an Wilhelmshaven angeschlossen. Für die Stadt geht es voran.
Vor vier Wochen konnte Minister Lies einen weiteren Knoten in Sachen Standortentwicklung durchschlagen: Gemeinsam mit Bahnchef Dr. Rüdiger Grube stellte er in Wilhelmshaven ein neues Ausbaukonzept für die Bahnstrecke zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg vor. Der Tiefwasserhafen ist auf eine funktionierende und moderne Hinterland-Anbindung angewiesen. Zwar wird ein großer Teil der angelandeten Container auf der Straße abtransportiert. Doch auch die Bahn nimmt viel Fracht aus dem JadeWeserPort auf. Bis 2019 sollen die Ausbauarbeiten abgeschlossen und die Strecke komplett elektrifiziert sein. 844 Millionen Euro kostet der Ausbau. Das Geld werde gut investiert, ist sich Lies sicher. Schließlich nehme der Jade-WeserPort eine Schlüsselrolle für den Logistikstandort Deutschland ein.
Unterdessen nimmt die Zahl der großen Unternehmen zu, die ihren Auslandsverkehr über den neuen Hafen an der Nordseeküste abwickeln. So fertigt ein dänischer Transport- und Logistikdienstleister einen Teil seiner Frachten in Wilhelmshaven ab. Regelmäßig bringt das Unternehmen Container in den JadeWeserPort. Sie werden auf den Riesenschiffen nach Japan, China oder Indien gebracht. Ein norddeutsches Handelsunternehmen verschifft seine Waren ebenfalls über Wilhelmshaven. Und dann hat das von Beginn an auf dem Hafengelände angesiedelte Tiefkühlunternehmen Nordfrost in diesem Sommer angekündigt, für rund 40 Millionen Euro ein neues Tiefkühllager bauen zu wollen. Nachdem im Mai bei einem Unfall im Hamburger Hafen eine Container-Brücke auf ein Schiff gefallen ist, sind die Umschlagkapazitäten in Hamburg gesunken. Davon profitiert Wilhelmshaven. Allein acht Schiffe leitet die skandinavische Reederei Maersk deshalb jetzt pro Woche nach Wilhelmshaven um. Aus der andauernden Flaute ist also längst eine steife Brise geworden. lyDieser Artikel erschien in Ausgabe #152.