2. Juni 2016 · 
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Zum Tage: LRH: Niedersachsen droht Erosion der öffentlichen Infrastruktur

(rb) Mit einer deutlichen Aufforderung, den Investitionsstau in Niedersachsen in einen überschaubaren Zeitraum von etwa zehn Jahren abzubauen, hat sich der Niedersächsische Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht an die Landesregierung gewandt. Deutschland zeige im Vergleich zu den anderen EU-Staaten insgesamt eine erkennbare Investitionsschwäche. Aber unter den Bundesländern habe Niedersachsen mit 4,8 Prozent mittlerweile die niedrigste Investitionsquote, gab Ministerialdirigent Hermann Palm, Mitglied des Senats der Hildesheimer Prüfbehörde, am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresberichts 2016 zu bedenken. Rechne man das Sondervermögen hinzu, das für die energetische und Infrastruktursanierung von Landesvermögen sowie zur Unterbringung von Flüchtlingen gebildet worden ist, sind es immerhin 5,9 Prozent. „Die laufenden öffentlichen Investitionen müssen wenigstens die vorhandene Vermögenssubstanz sichern. Ansonsten droht eine materielle Staatsverschuldung, die in gleicher Weise wie eine ausufernde Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben die Handlungsfähigkeit des Staates erheblich beeinträchtigen kann“, sagte Palm. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer drohenden Erosion der öffentlichen Infrastruktur. Allein bei den Landesbauten und Landesstraßen bewege sich der Investitionsbedarf um mindestens fünf Milliarden Euro, für die es jedoch keine ausreichenden Haushaltsmittel gebe. Um den aktuellen Investitionsstau nicht weiter anwachsen zu lassen, seien pro Jahr 600 Millionen Euro an Landesmitteln nötig. Als Beispiel nannte Palm u.a. große Baumaßnahmen der Hochschulen, für die der aktuelle Landeshaushalt einen Investitionsbedarf von 1,76 Milliarden Euro ausweist, für den aber für 2016 lediglich 171 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Besonders dramatisch stelle sich die Lage bei den Hochschulkliniken dar. Hier weise der Landesetat einen Bedarf von 622 Millionen Euro für die Medizinische Hochschule Hannover aus sowie von 222 Millionen Euro für die Universitätsmedizin Göttingen; dem stehe ein Mittelansatz von nur 50 bzw. 21 Millionen Euro gegenüber. Darüber hinaus bestehe weiterer Investitionsbedarf beim Breitbandausbau, den Krankenhäusern und auch bei den vom Land mitfinanzierten kommunalen Infrastrukturmaßnahmen. Palm forderte die Landesregierung auf, ein ressortübergreifendes Strategiekonzept zu entwickeln, das zu einem mittelfristigen Abbau des Investitionsstaus führt. Der Rechnungshof regt an, Einsparungen durch Pauschalkürzungen auf die rein landesseitig finanzierten Ausgaben für Subventionen und Zuwendungen, durch Auflösung der Hochschulrücklagen, aus denen zeitnah 230 Millionen Euro mobilisiert werden könnten, und durch Nutzung von Demografierenditen im Bildungsbereich vorzunehmen, um diese für Eigeninvestitionen zu verwenden. Der Rechnungshof stellt fest, dass allein eine 30-prozentige Pauschalkürzung von Zuwendungen Einsparungen von rund 255 Millionen Euro pro Jahr erbringen würden, die für Investitionen genutzt werden könnten. Auch die Einbindung privaten Kapitals, etwa in Form von ÖPP-Projekten, dürfe nicht ausgeschlossen werden. Und nicht zuletzt verfüge das Land über eine Rücklage von fast einer Milliarde Euro, auch wenn es sich hier nicht um „richtiges Geld“, sondern nur um nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen handele. Eine höhere Kreditaufnahme sei angesichts der bevorstehenden Schuldenbremse keine Option für die Bewältigung des Investitionsstaus, unterstrich Senatsmitglied Lutz Bardelle. Zum Thema Demografierendite fasst der Jahresbericht erneut auch das heiße Eisen der Lehrerstellen an. Einer rückläufigen Schülerzahl um 14 Prozent in den vergangenen acht Jahren habe einem Stellenzuwachs der Lehrkräfte um 7,5 Prozent gegenübergestanden. Wäre die Schüler-Lehrer-Quote des Schuljahres 2013/14 unverändert geblieben, hätte das Land den Stellenbestand an den allgemeinbildenden Schulen bis 2016 um 3900 Vollzeitstellen reduzieren können, findet der Rechnungshof. Beziehe man einen Mehrbedarf durch Inklusion, Ganztag und 20 000 zusätzliche Flüchtlingskinder mit ein, bliebe im Ergebnis immer noch eine Demografierendite von 2500 Stellen im Wert von 200 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2030 könnte sogar eine kumulierte Demografierendite von 3,5 Milliarden Euro generiert werden, wenn das Land zukünftig das Verhältnis von Schüler/innen zu Lehrkräften des Jahres 2016 beibehalten würde. az
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #105.
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