Darum geht es: Fortbildung spielt einer Umfrage zufolge bei den wenigsten Lehrern eine große Rolle. Auch die Digitalisierungsbegeisterung ist in anderen Branchen wesentlich größer. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Während sich Schüler zum Beispiel 13 Jahre lang bis zum Abitur pauken und ihnen direkt im Anschluss das lebenslange Lernen gepredigt wird, lässt sich ausgerechnet bei den Vorbildern in den Klassenzimmern, den Lehrern, eine Fortbildungsmüdigkeit konstatieren. In einer Studie der Vodafone-Stiftung bewerten nur drei Prozent der Lehrer die Lernkultur an ihrer Schule als gut oder sehr gut. 97 Prozent geben schlechte Noten. Und während ein Drittel der Schulleiter und Fachbereichsleiter angibt, Lernen und Fortbildung spiele eine große Rolle in Mitarbeitergesprächen, sehen das bei den Lehrern ohne Führungsaufgaben nur 15 Prozent so. Warum sollte es auch? 70 Prozent der Lehrer meinen schließlich, dass sie keine Auswirkungen auf ihre berufliche Zukunft zu befürchten haben, wenn sie sich nicht fortbilden.

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In einer Gesellschaft, in der man nicht mehr wie früher „auslernen“ wird, sondern sich ständig weiterentwickeln muss, droht der Lehrerberuf aus Systemgründen abgehängt zu werden. Denn während der Mitarbeiter eines Unternehmens nach einer Fortbildung beim Chef eine höhere Position oder eine Gehaltserhöhung einfordern kann, ist der Lehrer allein auf seine intrinsische Motivation angewiesen. Das allein dürfte aber nicht genügen, um zu erreichen, dass auch möglichst viele Lehrer an Fortbildungen teilnehmen.

Zudem kommt die Umfrage an den Schulen zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Die Personaldecke ist knapp und Lehrkräfte, die sich fortbilden, reißen zusätzliche Löcher in den Stundenplan, die derzeit nun wirklich keine Schule gebrauchen kann. Würden die Dokumente auf den Schreibtischen der Schulleiter nach einer Unbeliebtheitsskala sortiert, käme nach der Krankschreibung vermutlich gleich die Ankündigung einer Lehrer-Fortbildung. Denn während große Unternehmen für Fortbildungen mit einer Vertretungsreserve bei den Mitarbeitern kalkulieren, steht so eine Reserve den Schulleitern nicht zur Verfügung.

Auch die größere Skepsis in Bezug auf digitale Lernformate hat einen Zusammenhang mit der Fortbildungsproblematik. Während 92 Prozent der Beschäftigten anderer Branchen Computer und neue Medien als wesentliche Bereicherung ihres beruflichen Lernens ansehen, sind es bei den Lehrern  nicht einmal zwei Drittel. Auch hier fehlt es an Wissen und der entsprechenden Motivation, sich weiterzubilden. Auch der Druck, sich zu verändern und sich beruflich mit neuen Technologien zu arrangieren, ist in einem privaten Unternehmen wesentlich größer.

Der Stolperstart im Saarland für den Mini-Computer Calliope, mit dessen Hilfe bereits Drittklässler den Spaß am Programmieren entdecken sollen, ist ein typischer Beleg für die Problematik, die anhand der Zahlen der Vodafone-Studie sichtbar wird. Nur ein Fünftel der Schulen hat an dem Mini-Computer und der damit verbundenen Fortbildung Interesse angemeldet. Was haben Grundschullehrer davon, wenn sie den Kindern jetzt neben Lesen, Schreiben und Rechnen auch noch das Programmieren beibringen sollen? Und wie viele Grundschullehrer sind dazu überhaupt ernsthaft in der Lage?

Die Studie ist ein weiteres Zeichen für die Grenzen des Schulsystems, wie wir es kennen. Welche Kompetenzen benötigen Lehrer heute eigentlich, und ist der Allrounder im Klassenzimmer eigentlich noch zeitgemäß? Werden wir künftig mehr Sozialpädagogen und IT-Experten in Klassenzimmern benötigen? Während sich die Wirtschaft immer stärker spezialisiert, erwarten wir von den Lehrern immer noch, dass sie in der Lage sind, den Schülern facetten- und themenreich die Welt zu erklären. Das ist eine zu hohe Erwartung in einem veralteten System.