Wohnungsbau: „Kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsdefizit“
„Es läuft nicht alles wunderbar. Wir haben ein Problem.“ So sieht Niedersachsens neuer Bauminister Olaf Lies die aktuelle Wohnungssituation im Land. Lies spricht von einer insgesamt schwierigen Lage. Betroffen seien inzwischen auch diejenigen, die sich Wohnen eigentlich leisten könnten. Das Land hat deshalb jetzt mit mehr als 30 Verbänden, Kammern, Unternehmen und Kommunen ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ gegründet. Darin sollen Lies zufolge insgesamt fünf Arbeitsgruppen „effizient und intensiv“ unterschiedliche Themen bearbeiten.
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Der Bauminister erhofft sich bis zum wohnungspolitischen Kongress im November erste klare Ergebnisse. Viele Punkte seien schon häufig identifiziert, aber nicht gemeinsam angegangen worden. „Nur zu sagen, was nicht geht, war ein Erfolgsmodell der Vergangenheit“, merkte Lies an. „Aber es hat nicht dazu beigetragen, mehr Wohnraum zu schaffen. Wir müssen den Mut haben, über bestimmte Hürden zu springen.“ Ein Beispiel sei die Frage der Parkplatzverordnung. „Wir reden davon, dass sich Mobilität verändert. Deshalb muss man prüfen, ob die aktuellen Vorgaben eigentlich zu zeitgemäß sind.“
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„Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsdefizit“, sagte auch Heiner Pott, Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen (VDW). Ein Weiter-so könne es nicht geben. Er sieht das Land inzwischen unter Zeitdruck, weil nicht nur die Mieten, sondern auch die Baukosten stiegen. Deshalb dürfe jetzt nicht mehr viel diskutiert, sondern es müsse angepackt werden. Pott sprach von einer dramatischen Situation und einer Erosion des bezahlbaren Wohnens. „So können wir nicht weitermachen. Das kann kein Normalverdiener mehr bezahlen. Der Markt regelt es eben nicht“, so der VDW-Direktor. Er hält es für möglich, dass pro Jahr mehr als 30.000 Wohnungen gebaut werden könnten. Einer Studie der NBank zufolge fehlen bis zum Jahr 2035 rund 300.000 Wohnungen in Niedersachsen.
Für Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages (NST), reicht zum Beispiel die aktuelle Höchstförderung von 2900 Euro pro Quadratmeter für den sozialen Wohnungsbau nicht aus. Das höre man auch von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. An den Baukosten könne man kurzfristig nichts ändern. Deshalb bekämen auch nicht profitorientierte Gesellschaften mit der aktuellen Förderung die Projekte nicht rentabel.
Auch VDW-Direktor Pott meinte, die Fördersätze müssten den gestiegenen Kosten angepasst werden. Außerdem schlug er vor, die Eingangsmiete beim sozialen Wohnungsbau, die derzeit bei 5,60 Euro liegt, leicht anzuheben. „Man muss diskutieren, ob man in einer Stadt wie Hannover nicht auch eine Eingangsmiete von 6,50 Euro verkraften kann. Ich halte das für vertretbar“, sagte Pott. Ein weiterer Flaschenhals seien derzeit die Grundstücke. „Es kann nicht sein, dass Leute auf den Grundstücken sitzen, die dringend benötigt werden.“
So können wir nicht weitermachen. Das kann kein Normalverdiener mehr bezahlen.
Heiner Pott, VDW-Direktor
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt könnte derweil zu einer Renaissance der kommunalen Wohnungsbauunternehmen führen. „Sie sind die echte Mietpreisbremse“, sagte Pott. Als Beispiel nannte er die Stadt Hannover. Gäbe es dort nicht die 70.000 Wohnungen der kommunalen Unternehmen, wären die Mieten Pott zufolge durchschnittlich zwei Euro höher. Auch Arning meinte, kommunale Wohnungsbaugesellschaften sollten wieder stärker wertgeschätzt und gefördert werden. Bauminister Olaf Lies zeigte sich dafür offen. „Wohnen ist Daseinsvorsorge. Und wir müssen wieder an den Punkt zurückkommen, dass wir dieser Daseinsvorsorge gerecht werden.“