Viel zu tun: Im Wirtschaftsministerium: sucht man gerade alle Unterlagen zu den fehlerhaften Vergabevorgängen zusammen - Foto: Jakob Brüning[/caption]
Damit sei der Pressesprecher das Bauernopfer, bemängelt die Opposition. Sie kann den Minister heute politisch in die Zange nehmen, weil neben der Aussprache zum neuen Vergabefehler auch eine aktuelle Stunde zum Fall Neoskop, dem ersten Vergabepatzer im Ministerium, angesetzt ist. Von einem „Offenbarungseid des Ministers, der für Vergaben zuständig ist“, spricht der CDU-Abgeordnete Uwe Schünemann. „Es geht um Vergaben im unmittelbaren Umfeld des Ministers. Das ist eine Affäre Lies“, meint Schünemann. Für ihn ist bei den vergaben Vorsatz im Spiel. „Und wenn Vorsatz vorliegt, dann ist das Untreue.“ Ob es wirklich Untreue war, wird jetzt auch juristisch geprüft. Die Staatsanwaltschaft habe in den Fällen Neoskop und Sieben-Städte-Tour Verfahren gegen Staatssekretärin Daniela Behrens und Unbekannt eingeleitet, sagte der hannoversche Oberstaatsanwalt Thomas Klinge dem Rundblick. Es gebe einen Anfangsverdacht auf wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen.
In der Landtagsdebatte macht der CDU-Politiker Uwe Schünemann derweil auch auf eine weitere Auffälligkeit im Vorlauf der Sieben-Städte-Tour aufmerksam. So soll es auch nach Informationen des Politikjournals Rundblick im Jahr 2014 Treffen mit der Filmregisseurin Franziska Stünkel gegeben haben. Das Vergabeverfahren um den Werbespot zur Tour gewann dann am Ende: Franziska Stünkel. Ist das nach dem Fall Neoskop und den „Auffälligkeiten“ rund um den Auftrag an einen Radiosender der dritte Vergabepatzer im Ministerium? Der Film für rund 50.000 Euro fand am Ende übrigens nicht einmal den Gefallen des Wirtschaftsministeriums. Deshalb musste für weitere 15.000 Euro noch einmal nachgearbeitet werden.
„Sie haben gezielt und bewusst Vergabeverfahren fingiert, damit ein bestimmter Anbieter den Zuschlag erhält“, kritisiert der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und spricht von einer Bananenrepublik. Welches Vertrauen solle ein Mittelständler in Niedersachsen noch in Vergabeverfahren haben, fragt Dürr. „Der Mittelständler muss einen Wust an Bürokratie auf sich nehmen und sieht jetzt, dass auch ein Gespräch mit dem Wirtschaftsministerium ausreicht, um so ein Vergabeverfahren zu gewinnen.“
Die Regierungsfraktionen versuchen, die Angriffe so gut es geht abzuwehren. Die Staatsekretärin habe im Fall Neoskop aktiv über den Fehler informiert und sich entschuldigt, lobt der SPD-Wirtschaftspolitiker Gerd Will. „Der Fehler ist eingeräumt. Hören Sie auf mit Ihrem unerträglichen Verhalten“, ruft er in Richtung der Oppositionsbänke. Auch die Wirtschaftspolitikerin der Grünen, Maaret Westphely, sagt, mit ihren Rücktrittsforderungen schieße die Opposition weit über das Ziel hinaus.
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Die Opposition meint, der Posten des Wirtschaftsministers wackelt. „Ich wackele überhaupt nicht“, meint dagegen Lies nach der Debatte im Gespräch mit dem Rundblick. Man müsse den Boden der Tatsachen wieder erkennen. „Es ist klar, dass es Fehler gegeben hat, die analysiert werden müssen. Und wenn es sie gibt, muss es dafür am Ende auch Verantwortlichkeiten geben. Das bedeutet aber nicht, dass wir bei hunderten von Vergaben nicht seriös und anständig arbeiten.“ Lies verspricht: maximale Transparenz, absolute Aufklärung.
Allerdings: Auf dem von Olaf Lies geforderten Boden der Tatsachen liegen jetzt unzählige Mails und Akten zu den fehlerhaften Vergabevorgängen, die demnächst auch von der Opposition eingesehen werden können. Nicht einmal Lies kann erahnen, was sich darin möglicherweise alles finden lässt. Das ist die Kehrseite von maximaler Transparenz, absoluter Aufklärung. (MB.)


