Wird die Zeitumstellung abgeschafft? Erst einmal abwarten
Darum geht es: „Die Menschen wollen das.“ Mit diesem Argument will sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für die Abschaffung von Winter- und Sommerzeit einsetzen. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Hauptsache dagegen. Diese Haltung hat sich in den vergangenen Jahren vermutlich nicht nur in diesem Land durchgesetzt, und sie wird auch in der Diskussion um die Sommerzeit einmal mehr deutlich. Nachdem man nun seit Jahren Argumente gegen das Umstellen der Uhr gehört hat, beginnt sich der Wind nach der europaweiten Umfrage und der Ankündigung Jean-Claude Junckers wieder zu drehen. Plötzlich lesen wir in Kommentaren von lauen (und hellen!) Sommerabenden. „Das Bürokraten-Monster EU, das in der Flüchtlingsfrage jämmerlich versagt hat, raubt mir die schönsten Sommerstunden“, heißt es da. Zudem sei die Sommerzeit wahnsinnig gesund, weil wir durch sie mehr Licht bekämen. Während vor wenigen Wochen die politische Forderung nach einer Abschaffung von Sommer- und Winterzeit noch einen leichten Anschein von Populismus und Gratismut hatte, kommt jetzt ein neuer Trend: eigentlich war es doch ganz schön, vor allem im Oktober, wenn man eine Stunde länger schlafen konnte.
An der EU-Umfrage kann man natürlich seine Zweifel haben. 4,6 Millionen Menschen haben an ihr teilgenommen, das ist nicht einmal ein Prozent der europäischen Bevölkerung. Und von den 4,6 Millionen Teilnehmern kamen offenbar auch noch zwei Drittel aus Deutschland. Wirklich repräsentativ ist das nicht, und es lässt sich kaum daraus ableiten, wie das eigentlich Italiener, Spanier oder Ungarn sehen. Oder anders ausgedrückt: ob „die Menschen“ das wirklich wollen, oder nur die Deutschen. Für die Schlagzeile „Zeitumstellung wird abgeschafft“ ist das Ergebnis dann doch ein bisschen dünn.
Natürlich gibt es nach wie vor die in vergangenen Jahren fast schon gebetsmühlenartig vorgebrachten Argumente gegen die Zeitumstellung. Nur, weil wir zweimal an der Uhr drehen, wird keine Energie eingespart, was bei der Einführung der Sommerzeit im Jahr 1980 der Sinn der Sache war. Stattdessen haben wir in der Woche nach der Zeitumstellung Kreislauf und unsere Kinder kommen noch schwerer als sonst aus dem Bett. Die Zahl der Unfälle steigt, das Herzinfarktrisiko ebenso und Tiere, die keine Uhr tragen, haben ebenfalls ihre liebe Not. Das soll zum Beispiel für Kühe gelten, die täglich zur gleichen Zeit gemolken werden. Einen Vorteil gibt es allerdings: Menschen mit Neigung zur Unpünktlichkeit haben in der Woche nach der Zeitumstellung immer eine passende Ausrede parat – es sei denn, sie tragen eine Funkuhr oder Smartwatch am Handgelenk.
Aus der Umfrage lässt sich kaum ableiten, wie das eigentlich Italiener, Spanier oder Ungarn sehen. Oder anders ausgedrückt: ob „die Menschen“ das wirklich wollen, oder nur die Deutschen.
All diese guten Argumente müssen allerdings nicht zwingend dazu führen, dass Sommer- und Winterzeit wieder abgeschafft werden. Junckers großes europäisches Projekt, das zeigen soll, wie toll die Europäische Union abseits von Bürokratismus und Gurkenverordnung ist, könnte von Europaparlament und Mitgliedsstaaten am Ende noch einkassiert werden. Das soll uns in diesem Jahr aber nicht weiter stören. Egal ob Sie in Peine, Paris, oder Palermo schlafen: am Sonntag, den 28. Oktober, ist unsere europäische Nacht wieder einmal eine Stunde länger. Ein Hoch auf die Winterzeit!