16. Apr. 2023 · 
Parteien

Hat die Opposition die richtigen Werkzeuge, um die Regierung zu kontrollieren?

Die Sache mit der „Befragung des Ministerpräsidenten“ ist relativ neu im Landtag – es gibt sie erst seit September 2020. Ob es ein Erfolg war? Gedacht ist das als ein Instrument der parlamentarischen Kontrolle der Regierung. Die Abgeordneten sollen die Chance erhalten, den Regierungschef spontan zu fragen und von ihm spontan eine Antwort zu erhalten.

Archivfoto: Kleinwächter

Das alles geschieht vor dem Hintergrund der strengen Vorschrift von Artikel 24 der Landesverfassung, wonach die Regierung im Landtag alle Fragen „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig beantworten“ muss. Der Ministerpräsident ist also gefordert: Er darf nicht ausweichend reagieren oder Unwissenheit vortäuschen, und er muss in allen Themen fit sein. Natürlich darf er darauf hinweisen, gerade zu bestimmten Details nicht alle Fakten parat zu haben. Aber tut er das zu häufig, macht sich das für den Regierungschef nicht gut. Also sind solche Befragungen ein schönes Mittel, die Sattelfestigkeit, Schnelligkeit und Arbeitstiefe der Person an der Spitze der Landesregierung zu testen.

CDU kritisiert Regelwerk zur „Befragung des Ministerpräsidenten“

Hat es nun in den vergangenen zweieinhalb Jahren geklappt? Aus Sicht der Opposition muss man sagen: eher nicht. Inzwischen wird im Parlament darüber diskutiert, wie man die Regeln dieser Befragung erweitern und abändern kann. Dass nämlich Stephan Weil in fast allen bisherigen Befragungen im Landtag mehr oder weniger glänzen konnte, lag vermutlich auch an den Vorgaben. Je Fraktion sind nur vier Fragen zulässig, jede davon darf nur aus einem Fragesatz bestehen. Weitere Nachfragen sind nicht vorgesehen. Das konnte Weil, dessen Schlagfertigkeit unbestritten ist, bisher immer relativ locker parieren.



Bis Herbst 2022 bestanden die Oppositionsfraktionen, die hier tätig werden konnten, aus Grünen und FDP – CDU und SPD als große Fraktionen schwiegen meistens, die AfD-Fraktion gab es nicht mehr. In der neuen Legislaturperiode erlebten wir bisher erst eine Befragung, in der die große CDU und die etwas kleinere AfD die Opposition stellten. Die CDU nutzte die Chance, ihre vier Fragen auf ein Thema, die Verkehrspolitik, zuzuspitzen. Das klappte recht gut, aber der geschickte Weil erkannte die mögliche Falle und verdeckte einen sich anbahnenden SPD-internen Dissens über den Ausbau des Südschnellweges, indem er einfach seinen Wirtschaftsminister überschwänglich lobte. Manche meinen, der Punkt sei also wieder an den Ministerpräsidenten gegangen. Andere sehen es anders.

Vorschlag: Jeder Abgeordnete bekommt das Recht auf eine Frage und Nachfrage

Dass die CDU mit dem Regelwerk unzufrieden ist, hat die Parlamentarische Geschäftsführerin Carina Hermann schon mehrfach erwähnt. Sie möchte insgesamt die Kontrollrechte der Volksvertretung stärken, auch bei den Antrags- und bei anderen Fragerechten. Nun beraten die Fraktionen über verschiedene Änderungsvorschläge. Einer davon lautet, es nicht bei nur vier Fragen je Fraktion zu belassen, sondern in der anderthalbstündigen Befragung des Ministerpräsidenten jedem Landtagsabgeordneten das Recht zu einer Frage und einer Nachfrage zu geben. Wiederum soll der gesamte Kanon der Landespolitik Gegenstand sein können – ohne eine Vorbereitung oder vorherige Einreichung der Fragen. Das würde nun der Opposition die Chance geben, den Ministerpräsidenten sehr viel intensiver und nachhaltiger mit gezielten Fragen zu konfrontieren.

Der Regierungschef andererseits könnte seine Schlagfertigkeit unter Beweis stellen, er könnte auch mit Humor reagieren – und damit seine Routiniertheit in Parlamentsdebatten herausstellen. Auch für ihn wäre das eine Chance, an Stärke zu gewinnen – obwohl natürlich das Risiko besteht, dass er von der Opposition in die Enge getrieben werden könnte oder auf falschem Fuß erwischt wird. Aus CDU-Kreisen wird diese Variante befürwortet, und als vorbildlich gilt für sie die Regelung im Bundestag, wo der Kanzler sich genau auf diese Weise den Fragen von Abgeordneten stellen muss.

„Es wird immer einen Widerstreit geben: Wenn allgemein zu allen Themen gefragt werden kann, müssen die Antworten irgendwann unpräzise sein."

Für die Veränderung der Geschäftsordnung ist nun eine Landtagsmehrheit nötig, ohne die Regierungsfraktionen geht nichts. Von SPD und Grünen heißt es, dass man diese Themen sorgfältig prüfe und zu Reformen bereit sei. „Es wird immer einen Widerstreit geben: Wenn allgemein zu allen Themen gefragt werden kann, müssen die Antworten irgendwann unpräzise sein. Wenn wir aber bestimmte Themenbereiche vorgeben, leidet die Spontaneität darunter. Wir müssen das gut abwägen“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wiard Siebels. Die Belebung der Landtagsarbeit sei allerdings auch ein Anliegen der Koalition.

CDU möchte Zahl der Entschließungsanträge erhöhen

Ein anderes Thema sind zum Beispiel die Entschließungsanträge, mit denen die Fraktionen zum einen ihre Standpunkte zu aktuellen politischen Fragen verdeutlichen und zum anderen die Landesregierung zum Handeln in bestimmten Bereichen auffordern können. Bisher ist vorgesehen, dass jede Fraktion in jeder der monatlichen Plenarsitzungen zwei neue solcher Entschließungsanträge vorbringen darf. Die CDU-Politikerin Hermann hält das für zu wenig, sie spürt in ihrer eigenen Fraktion einen starken Drang zur Positionierung und möchte das auf maximal vier Anträge je Fraktion ausweiten.

„Es darf nicht bloßes Oppositionsklamauk werden.“

Ein Problem allerdings könnte entstehen, falls von der Landesregierung dann doch wieder mehr Gesetzentwürfe vorgelegt werden sollten. Bisher kommt das Kabinett ganz offensichtlich nur sehr schwerfällig in Gang, die Zahl der Initiativen für neue Gesetze bleibt auf geringem Niveau – der gesamte Betrieb der Ministerien scheint nach der Landtagswahl noch nicht die richtige Temperatur erreicht zu haben. Das dürfte sich aber in den kommenden Monaten ändern, und dann könnten die Tagesordnungen der Plenarsitzungen, die gegenwärtig recht knapp sind, mit zusätzlichen Entschließungsanträgen und den Gesetzen auf einmal überlang werden – denn jedes Thema braucht ja Beratungszeit in den verschiedenen Sitzungen. Deshalb reagieren SPD und Grüne auf diesen Hermann-Vorstoß verhalten bis ablehnend. „Es darf nicht bloßes Oppositionsklamauk werden“, mahnt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Bajus.



Über noch eine weitere Änderung wird zwischen den Fraktionen diskutiert, nämlich die Ausweitung der Nachfragen bei den sogenannten „dringlichen Anfragen“. Jede Fraktion darf zu einem Thema eine Anfrage mit detaillierten Punkten an die Regierung richten – und bisher besteht die Übung, dass jede Fraktion im Parlament zu den Antworten des jeweiligen Ministers bis zu fünf Zusatzfragen stellen darf. Aus Sicht der CDU ist das zu wenig – gern möchte die Fraktion zu der alten Praxis zurückkehren, jedem Abgeordneten des Landtags die Möglichkeit zu zwei Nachfragen zu geben. Dies war jahrelang üblich im Parlament, und gern und oft haben auch Abgeordnete der jeweiligen Regierungsfraktionen sich gemeldet und ihrem jeweiligen Minister eine sogenannte „Entlastungsfrage“ gestellt. Diese lautete dann beispielsweise: „Sind Sie nicht auch der Meinung, dass diese Nachfrage des Abgeordneten Müller völlig neben der Sache liegt, da doch die Vorgängerregierung diese Entscheidung schon so getroffen hat?“

Ob nun SPD und Grüne sich auf diese Reform einlassen wollen, scheint noch fraglich zu sein – Gesprächsbereitschaft haben Siebels und Bajus aber signalisiert. Allerdings hatte es diese Variante bereits gegeben, und sie ist merkwürdigerweise abgeschafft worden zu einer Zeit, als CDU und FDP im Landtag die Mehrheit hatten. Ein wesentliches Argument für eine vor Jahren beschlossene Verkürzung der Nachfrage-Möglichkeiten bei den „dringlichen Anfragen“ war die Tatsache, dass die Befragung teilweise einen sehr großen Zeitaufwand beanspruchte, sich sehr viele Abgeordnete zu Wort meldeten und damit der ursprünglich vom Ältestenrat beschlossene Zeitplan mehr als nur einmal erheblich aus den Fugen geraten war. Eine Landtagssitzung aber, in der jeder vorher ausgetüftelte Ablauf durcheinandergewirbelt wird, dürfte vielen Abgeordneten zuwider sein.

Dieser Artikel erschien am 17.4.2023 in Ausgabe #069.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Applaus für den Kanzler: Um 16.15 Uhr hat es Friedrich Merz endlich geschafft. | Foto: Bundestag/Screenshot: 
 Link
Entsetzen auch in Hannover: Holprige Wahl des Kanzlers löst helle Aufregung im Landtag aus
6. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min
"Die Kommunen müssen in der Verantwortung bleiben", fordert die BDB-Landesvorsitzende Susanne Witt. | Foto: Link
Umbauen bleibt schwierig: Architekten sehen bei der NBauO weiter Verbesserungsbedarf
7. Mai 2025 · Christian Wilhelm Link4min
Foto: Wallbaum
Treue-Check für Beamte mit AfD-Parteibuch? Behrens rät von neuem Radikalenerlass ab
5. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min