Die fragwürdige Auftragsvergabe des Wirtschaftsministeriums in mindestens zwei Fällen hat am Donnerstag dramatische politische Konsequenzen gehabt. Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) folgte der Bitte von Staatssekretärin Daniela Behrens, sie „von ihrem Amt zu entbinden“. Sie habe ihm mitgeteilt, nicht ausschließen zu können, 2016 doch auf das Votum der Auswahlkommission zur Entscheidung über die Neugestaltung der Seite „nds.de“ Einfluss genommen zu haben. Dies hatte Behrens Ende vergangener Woche so noch nicht gesagt. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt inzwischen wegen des Verdachts auf wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Außerdem gibt es den Vorwurf an Behrens‘ Adresse, das Einverständnis zu einer vom Pressesprecher vorbereiteten Auftragsvergabe zur „Sieben-Städte-Tour zur Elektromobilität“ gegeben zu haben. Bei dieser Ausschreibung hat es offenbar Vorabsprachen mit dem späteren Auftragnehmer gegeben. Als Lies am Donnerstagmorgen die Erklärung im Landtag verlas und vom „schwierigsten Moment seit Beginn meiner Amtszeit“ sprach, löste das im Parlament hektische Betriebsamkeit auf. CDU und FDP entschieden nach einer Sitzungsunterbrechung, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einberufen zu wollen. Dieser soll sich ausschließlich mit den Auftragsvergaben und den Vorgängen im Ministerbüro von Lies befassen. Die Opposition schickt die früheren Minister Uwe Schünemann (CDU) und Jörg Bode (FDP) als Obleute in dieses Gremium, der Vorsitz steht der SPD zu.

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Die Aufgaben der Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium übernimmt zunächst kommissarisch die Leiterin der Abteilung für Wirtschaftsordnung, Ute Stahlmann. Noch unklar ist, ob sie formell zur Staatssekretärin ernannt und damit politische Beamtin wird. Möglich wäre auch, bis zur Landtagswahl im Januar die Position kommissarisch zu verwalten. Für jüngere Laufbahnbeamte wäre eine Beförderung zum Staatssekretär wenig reizvoll, weil sie dann mit Einbußen bei ihren späteren Versorgung rechnen müssten. Was die 49-jährige Behrens anbelangt, ist die Art ihrer formellen Verabschiedung noch nicht entschieden, heißt es aus Regierungskreisen. Wenn sie entlassen wird, stünden ihr zunächst drei Monate lang die weiteren Bezüge (10.316 Euro monatlich) zu, danach drei Jahre lang 71,75 Prozent dieses Betrages. Anschließend würde sie bis zum Pensionseintritt leer ausgehen. Bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand würde sie zusätzlich nach Ablauf der drei Jahre ein Drittel des Versorgungsbetrages erhalten können. Dieser Weg wäre aber wohl nur möglich, wenn Behrens mindestens fünf Jahre im öffentlichen Dienst war. Sie hatte vor ihrer Wahl in den Landtag 2007 sieben Jahre lang an einer Hochschule gearbeitet – aber nicht in Niedersachsen, sondern in Bremerhaven.

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Der CDU-Abgeordnete Schünemann sagte im Landtag, er befürchte, dies sei „erst der Anfang einer größeren Affäre“. Er warf Lies vor, dieser hätte Behrens „schon vor Tagen entlassen müssen“. Auf Anfragen von CDU und FDP erklärte das Finanzministerium, vor dem Auftrag an das Münchener Ifo-Institut für ein Anfang der Woche vorgestelltes Steuerreformkonzept der Landesregierung nicht mindestens drei potenzielle Anbieter um einen Vorschlag gebeten zu haben. Dies sei bei einer Summe von 28.000 Euro eigentlich vorgegeben, aber hier könnten Ausnahmeregeln greifen: Es handele sich um einen reinen Werkvertrag ohne besondere Beratungsleistungen, das Ifo habe „ausschließlich Rechenleistungen“ erbracht. Außerdem habe man die Vertraulichkeit wahren müssen – wenn man mehrere Unternehmen gefragt hätte, wäre aufgefallen, dass Niedersachsen an einem Steuerkonzept tüftelt. Dies habe die Landesregierung nicht riskieren wollen.