22. Mai 2023 · 
Wirtschaft

Windkraft-Branche sauer: Transporte von Rotorblättern sind viel zu bürokratisch

In einem gemeinsamen Auftritt vor der Öffentlichkeit haben der „Landesverband Erneuerbare Energien“ (LEE), der Bauindustrieverband Niedersachsen-Bremen und die Logistik-Branche an Bund, Länder und Kommunen appelliert: Der angestrebte Ausbau der Windkraftanlagen in Niedersachsen könne nur gelingen, wenn die Genehmigungen deutlich vereinfacht und verkürzt werden können – und zwar nicht nur die Genehmigungen für den Bau neuer Windräder, sondern auch die für den Transport der Teile vom Produktionsort zum neuen Standort. „Das angepeilte Ziel kann unter den gegebenen Umständen nur zur Hälfte erreicht werden – und Schuld daran sind viele Hindernisse auf verschiedenen staatlichen Ebenen“, erklärte die LEE-Landesvorsitzende Bärbel Heidebroek.

Mammutaufgabe für die Logistik: Der Transport eines Rotorblatts für einen Windpark in Galmsbüll (Schleswig-Holstein). | Foto: Heiko Jessen

Inzwischen erklärte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne), dass er den Schuldigen bei der im Ressort von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) angesiedelten Bundesautobahngesellschaft sieht: „Wir können eigentlich nur mit dem Kopf schütteln, wenn bei der Autobahngesellschaft Anträge auf Schwerlasttransporte für Windräder einfach liegen bleiben und unseren in Niedersachsen längst gezündeten Ausbau-Turbo so wieder ausbremsen.“ Nach Medienberichten sind in der für Niedersachsen und Nordhessen zuständigen Außenstelle der Bundesbehörde rund 15.000 Anträge auf Transporte derzeit unbearbeitet. „Wenn die Genehmigung nur sechs Wochen dauert, gibt es bei uns schon Jubelstürme. In der Realität dauert das deutlich länger", sagt Holger Dechant von der Firma „Gruber Logistics“.

Sowohl LEE, Bauindustrieverband als auch die Logistik-Branche verwiesen auf verschiedene Umstände, die in der Praxis die Energiewende verlangsamen. „Wir freuen uns, dass Niedersachsen im vergangenen Jahr 198 Windräder-Genehmigungen ausgesprochen hat. Aber damit sind sie noch nicht gebaut – und für den Bau ist ein aufwendiger Transport nötig“, sagt LEE-Landesgeschäftsführerin Silke Weyberg. Wie Holger Dechant von der Firma „Gruber Logistics“ erklärt, kann es für einen einzigen Schwerlasttransport bis zu 150 nötige Genehmigungen geben.

Anforderungen unterscheiden sich in den Bundesländern

Das betreffe zunächst die Bundesautobahngesellschaft, dann aber auch jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt, durch die die Straßen führen, über die der Transport womöglich wegen schwacher Autobahnbrücken umgeleitet werden muss. Um flexibel genug zu bleiben, würden die Logistiker parallele Routen beplanen und dafür noch einmal weitere Anträge für Ausweichrouten stellen – ein Mehraufwand für die Behörden. So komme es schon mal vor, dass in Bremen die Anforderungen steigen und fünf Begleitfahrzeuge verlangt werden, außerhalb von Bremen aber nur drei. 

Ein weiteres Erschwernis: Geht eine Maschine vor Ort kaputt, muss erneut wochenlang auf eine Genehmigung gewartet werden, um das Gerät wieder abholen und reparieren zu dürfen. Der Transport über Flüsse und Kanäle sei zwar eine Alternative, bringe aber wieder zusätzlichen Aufwand mit sich – etwa das Verladen und Absichern der schweren Teile. „Auf der letzten Meile brauche ich dann ohnehin wieder den Lastwagen", sagt Dechant. Den Schienenverkehr hält er hingegen für den Transport eher ungeeignet wegen der Maße der Teile. Stattdessen sollte viel eher das Ziel sein, andere Güter von der Straße runter und stattdessen auf die Schienen oder Flüsse zu bekommen.



Jörn Makko vom Bauindustrieverband schlägt ein ganzes Bündel an Vereinfachungen und Erleichterungen vor. So sei in den bundesrechtlichen Verwaltungsvorschriften festgelegt, dass es immer auch Beifahrer geben müsse, die dem Fahrer die Transportbedingungen erläutern sollen. „In der Corona-Zeit ging es auch ohne – und ich frage mich, warum das nicht so geblieben ist.“ Merkwürdig sei auch die Vorschrift, wonach bei der Unterschreitung von Längen und Gewicht eine neue Genehmigung nötig wird. „Da müsste doch gelten: Das Größere soll das Kleinere einschließen.“

Die Obergrenze für das erlaubte Herausragen der Ladung sei inzwischen auch Teil der Genehmigung und müsse daher von der Polizei überprüft werden – obwohl die zentimetergenaue Einhaltung praktisch unmöglich sei. Da bei Transportgenehmigungen die beteiligten Landkreise angehört werden müssten und bisher keine Bearbeitungsfristen gelten, ziehe sich der Prozess oft in die Länge. Eine maximale Bearbeitungszeit von fünf Tagen sei sinnvoll.

Verwaltungshelfer könnten statt Polizisten Transporte begleiten

Hilfreich könne auch sein, anstelle von Polizisten staatliche Verwaltungshelfer zur Begleitung von Transporten einzusetzen. Damit könnten auch die bisher recht hohen Auflagen für Nachtfahrten gelockert werden. Der CDU-Landtagsabgeordnete André Hüttemeyer schlägt die Variante einer „Genehmigungsfiktion“ vor: Wenn ein Antrag innerhalb einer vorgegebenen Frist nicht bearbeitet ist, soll er als genehmigt gelten.

Der LEE geht unterdessen davon aus, dass der Zuwachs an Windkraftanlagen in Niedersachsen nicht so drastisch sein müsse wie bisher angenommen – und zwar auch deshalb, weil ältere Anlagen inzwischen einfacher im „Repowering“ aufgerüstet werden können. Bis 2035 brauche man in Niedersachsen bis zu 8500 Windkraftanlagen, bis zu 4000 müssten also noch hinzukommen.

Dieser Artikel erschien am 23.5.2023 in Ausgabe #093.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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