Können Sie das Wort Brennglas auch nicht mehr hören? Es taucht inzwischen gefühlt in jedem zweiten Artikel auf, denn in der Corona-Krise gibt es ja bekanntlich nahezu nichts, was nicht wie unter einem Brennglas sichtbar wird. Ich behalte mir vor, während der nächsten Pressekonferenz, in der das Wort „Brennglas“ fällt, meinen Kopf laut krachend auf die Tischplatte fallen zu lassen.

Kein Brennglas wird benötigt, um die schwierigen Corona-Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler deutlich erkennen zu können. Um nach den Sommerferien etwas sicherer mit dem Szenario A planen zu können, haben Kultus- und Sozialministerium ein Konzept für eine flotte Schüler-Impfkampagne erarbeitet.
Noch vor den Sommerferien könnte damit zwischen Mathe, Deutsch und Englisch noch „Erstimpfung“ auf dem Stundenplan stehen – wenn die Ständige Impfkommission mitmacht. Mehr zu dem Thema lesen Sie heute bei in der Ausgabe #097 oder online direkt hier.
Man sollte sich nicht täuschen: Unter einem Brennglas erscheinen Objekte größer, als sie wirklich sind – das könnte auch den grünen Umfrage-Riesen gerade so gehen. Wer allerdings die Lupe auf sie richtet, kann auch das Kleine im Großen genauer erkennen, und sind es nicht gerade die ärgerlichen Kleinigkeiten, die uns immer wieder den Weg zu neuer Größe versperren?
Bei der Pressekonferenz des Grünen-Spitzenduos in Niedersachsen brachte die Frage nach den überraschenden Boni-Zahlungen an die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Parteichef Hans-Joachim Janßen mächtig ins Schlingern. So etwas sei insgesamt ein übliches Vorgehen, antwortete er, wobei solche Zahlungen in allen anderen Parteien eben vollkommen unüblich sind, und bei den Grünen im Land übrigens auch. Die mangelnde Vorbereitung des Grünen-Chefs auf so eine Frage wurde in diesem Moment wie unter einem Brennglas deutlich – mehr dazu hier.

Währenddessen wird sogar die Inzidenzampel immer grüner, wer allerdings durchs Brennglas schaut, stellt große Unterschiede fest. Denn die Werte reichen von 10,6 in Cuxhaven bis 164,3 in Emden. Besorgniserregend nennt Sozialministerin Daniela Behrens den Wert in Emden, der weder konvex noch konkav betrachtet besser wird.
Die Sache mit dem Brennglas hatte übrigens schon Seneca im ersten Jahrhundert durchschaut. Das war der Philosoph, der auch sagte: „Jeder, der einen anderen schlechter macht, wird es dadurch selbst.“ Das können sich die Wahlkämpfer mal hinter die Ohren schreiben.
Da wir gerade zufälligerweise gerade von Wahlkampf sprechen: Mein Kollege Klaus Wallbaum erläutert in der heutigen Ausgabe, welche vier ungeklärten Fragen Spannung in die Landtagswahl 2022 bringen können. Ich habe den Aufkleber „Kategorie Lesenswert“ selbst am Artikel angebracht.
Wissen Sie, was Seneca auch gesagt hat? „Halte Dir die rasende Schnelligkeit der Zeit vor Augen.“ Wer wundert sich da noch, dass diese kleine TagesKolumne schon wieder an ihrem Ende angelangt ist.
Genießen Sie den Mittwoch, der nächste kommt erst wieder am nächsten Mittwoch
Martin Brüning