
Die Geschichte vom Kolonialismus und der Versklavung kriegen wir nicht einfach so raus. Aber wie lange reden wir darüber? Wie viel Zeit wollen wir uns noch geben?
Doch er erkennt in den aktuellen Auseinandersetzungen auch einen Impuls, der nun etwas in Bewegung setzen könnte, denn zugleich habe er gedacht: „Wenn nicht jetzt, wann dann? Dann ist es gut, dass es jetzt geschieht, dass wir in eine radikalere Form des Nachdenkens kommen.“ Der Landesbischof erklärte, dass er früher eine andere, langsamere Vorgehensweise präferiert hatte. Er erinnerte an eine Zeit, als die Landekirche bei der Diversität noch nicht so weit gewesen sei, und vergleicht die Veränderungsprozesse im Umgang mit Rassismus mit denen im Verhältnis der Kirche zur Homosexualität. Damals habe er gedacht, man dürfe es mit der Veränderung nicht übereilen, weil es sonst nicht gelänge und man viele Leute verlöre. „Doch dann haben mich schwule Freunde gefragt: Sag mal, tickst du noch richtig? Jeder Tag, den wir warten, ist ein Tag des Schmerzes.“ Auch Dogmani brachte ihre Ungeduld zum Ausdruck: „Ich muss dir recht geben, die Geschichte vom Kolonialismus und der Versklavung kriegen wir nicht einfach so raus. Aber wie lange reden wir darüber? Wie viel Zeit wollen wir uns noch geben?“Es ist nicht damit getan, dass jetzt in den zwei Wochen, in denen es hochkocht, alle eine Meinung haben und dann war es das.
Einig waren sich an diesem Abend beide, dass große Demonstrationen, das Hochhalten von Plakaten oder das Hissen von Fahnen nicht ausreichten. „Ich meine, die wichtigen Dinge entstehen bei dem Einzelnen drin“, sagte Meister, und Dogmani pflichtete bei: „Es ist nicht damit getan, dass jetzt in den zwei Wochen, in denen es hochkocht, alle eine Meinung haben und dann war es das.“ Die Schauspielerin plädiert für einen institutionellen Ansatz, es müsse sich etwas in den Köpfen verändern und das gehe nur über Bildung. „Ja, es muss in uns passieren. Aber wenn man nicht aus einer bildungsstarken Familie kommt, sondern aus einer Familie mit starker Meinung und Wertung, brauche ich eine Anleitung zum Ändern – vor allem, wenn jemand von klein auf gesagt bekommen hat, dass immer die anderen schuld sind.“
Wir haben das Thema noch nicht so im Blick, wie wir es haben müssten.
Eine institutionelle Veränderung kann sich Landesbischof Meister auch in seiner Kirche vorstellen. „An wen wendet sich jemand, der in der Kirche Erfahrung von Rassismus macht?“, hat er sich im Vorfeld der Veranstaltung selbst gefragt. „Wir haben das Thema noch nicht so im Blick, wie wir es haben müssten.“ Deshalb kündigte er an, dass aus dieser Veranstaltung heraus etwas Neues entstehen müsste. Er denke deshalb über eine zentrale Anlaufstelle oder einen Antirassismus-Beauftragten der Kirche nach. Dass auch die lutherische Kirche, die ja meist eine homogene Gruppe von weißen Christen sei, sich mit Rassismus auseinandersetzen müsste, bekräftige Prof. Christoph Dahling-Sander, Geschäftsführer der Lilje-Stiftung, mit Blick auf die evangelischen Kindergärten. In diesen kämen schließlich auch zahlreiche Kulturen zusammen.Es ist auch wichtig, die neue Sprache zu lernen und die Dinge richtig zu benennen.
Zuletzt bat Bischof Meister aber auch noch („etwas pastoral“, wie er selbst sagte) um Barmherzigkeit in der Diskussion um Rassismus. Er erlebe, dass die Menschen auch verunsichert seien, weil sie nicht mehr wüssten, welche Begriffe nun angebracht sind und wo der Vorwurf des Rassismus droht. Sagt man in den USA „Colored“ oder „People of Color“? Dogmani erklärte, dass sie das nachvollziehen könne und schlug vor, das genauso zu thematisieren: Man solle sagen, dass man eine Frage habe, aber nicht wisse, wie man sie stellen soll. Ein Patentrezept habe sie auch nicht, aber die Sprache sei etwas, die man lernen könne. „Es ist auch wichtig, die neue Sprache zu lernen und die Dinge richtig zu benennen.“