25. Feb. 2018 · 
Umwelt

Wie gefährlich ist der Wolf? Beim Bürgerdialog in Winsen gehen die Emotionen hoch

Nach Cuxhaven ist die südliche Heide die zweite Region in Niedersachsen, in der das Zusammenleben von Menschen und Wölfen auf eine Belastungsprobe gestellt wird. Viermal wurden hier Wölfe dabei beobachtet, wie sie teils bei Tageslicht mitten durch den Ort liefen. Besonders in der Gemeinde Winsen im Landkreis Celle ist die Sorge groß. Hier ist der Wolf schon zweimal an einer Kindertagesstätte entlanggelaufen und ein Tier hat im acht Kilometer entfernten Bannetze zwei Kleinkinder angeknurrt. Winsens Bürgermeister Dirk Oelmann verlangt vom Land nun Aufklärung – und hat dazu zum Bürgergespräch geladen. Auch, um zu verdeutlichen, welchen Stellenwert das Thema in der Region hat. Das ist ihm gelungen, denn die Aula der Winsener Oberschule war an dem Abend bis auf den letzten Platz besetzt. Mehrere hundert Interessierte waren zum Teil auch aus anderen Landkreisen gekommen, um zu hören, wie das Umweltministerium mit den Wölfen umgeht. Wie sich schnell herausstellte, wollten einige den Wolf am liebsten ganz wieder loswerden, andere wiederum ihm volle Freiheiten geben. Die große Mehrheit der Zuhörer jedoch lehnt den Wolf nicht ab, will ihn aber öfter in seine Schranken verwiesen sehen.

Vierjährige mit Pfefferspray ausstatten?

Besonders die Angst um ihre eigene Sicherheit, die ihrer Kinder oder die ihrer Hunde bewegte die Menschen an diesem Abend. „Wenn zwei Erzieherinnen mit 14 Kindergartenkindern in den Wald gehen, wie sicher sind die Kinder da wirklich?“, wollte etwa Andreas Reis wissen. „Muss ich meine vierjährige Tochter jetzt mit Pfefferspray ausstatten?“ Konstantin Knorr, Artenschutzreferent im Umweltministerium, hatte zuvor gesagt, dass man durchaus ein Pfefferspray bei sich tragen könne, wenn man sich damit sicherer fühle. Claudia Bartels, die in Winsen am Waldrand wohnt, fürchtet vor allem um ihre Sicherheit und die ihrer Tiere. „Ich habe Pferde, Ziegen und einen Hund. Schon zweimal stand ein Wolf am helllichten Tag plötzlich zwischen den Pferden auf der Weide“, erläutert sie. Zum Glück habe ihr Hund den Wolf verjagen können, doch sie traue sich nun kaum mehr in dem Wald. „Ich denke, ich spreche hier für viele. Wir sind nicht gegen den Wolf, aber die Zivilisation hat sich weiterentwickelt. Es kann nicht sein, dass wir uns jetzt seinetwegen so einschränken müssen“, sagt sie und erntet dafür Applaus. Auch die Winsenerin Ulrike Gieseke mag sich vom Wolf nicht einschränken lassen, schon gar nicht mitten im Ort. „Warum sollen wir uns zurückziehen, wenn wir hier einem Wolf begegnen?“, fragt sie. Vielmehr müsse man ihn verjagen. „Der Wolf hat im Ort nichts zu suchen, und es ist unser Job, ihm das klarzumachen.“ Wieder gibt es Applaus.   [gallery columns="6" link="file" ids="30855,30856,30857,30858,30859,30860,30861,30862"] Die beiden Vertreter aus dem Umweltministerium versichern immer wieder glaubhaft, dass sie die Ängste der Bürger nachvollziehen können. „Wir verstehen, dass Sie sich unsicher fühlen“, sagt Knorr. „Doch wir Menschen müssen erst wieder lernen, die Gefahr durch Wölfe einzuschätzen.“ Denn tatsächlich sei die Gefahr, von einem Wolf angegriffen zu werden, gering. Jens Palandt, Leiter des Referats für Artenschutz, betont, dass die Sicherheit der Menschen trotz strengem Artenschutz ganz oben stehe. „Wenn ein Wolf eine Gefahr für den Menschen darstellt, wird er sofort entnommen.“ Darüber hinaus jedoch müssten die Behörden einem durch das Recht vorgegebenen Prüfschema folgen, um zu beurteilen, ob ein Wolf sich untypisch verhält.

Politik nicht richtig auf Situation eingestellt

Zuhörer Rolf von der Horst will das nicht so einfach gelten lassen: „Es wird immer so getan, als seien das Naturgesetze. Aber diese Gesetze sind von Menschen gemacht und deshalb muss man darüber nachdenken, ob sie so noch zeitgemäß sind.“ Palandt entgegnet darauf, dass man diese Gesetze durchaus ändern könne, auch wenn das in diesem Falle die Überzeugung von zahlreichen Politikern auf verschiedenen Ebenen nötig macht. Dieser Prozess laufe auch schon. „Aber die bisherigen Ereignisse im Wolfsmanagement geben noch keinen Anlass, etwas grundlegend zu ändern.“ Darin sieht Zuhörer Ingo Friedrich ein Problem. „Ich habe heute Abend viel über das Wolfsmanagement erfahren, doch ich habe immer noch den Eindruck, dass die Politik auf die Situation nicht richtig eingestellt ist“, bilanziert er. Es sei nicht richtig, dass das Prozedere nicht geändert werde, weil noch kein Handlungsbedarf gesehen werde. „Ich glaube, dass die Maßnahmen zum Wolf zurzeit viel zu lange dauern.“  (isc)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #38.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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