Wie die Flohmarkt-Debatte zum Ladenschluss-Tohuwabohu passt
Darum geht es: Landesregierung und Landtagsfraktionen wollen sich für den Erhalt der Sonntags-Flohmärkte in Niedersachsen einsetzen. Geplant ist eine Änderung des Feiertagsgesetzes. Ein Kommentar von Martin Brüning.
Die Debatte um die Sonntags-Flohmärkte machte gestern im Landtag noch einmal die gesamte Misere bei den Ladenöffnungszeiten deutlich: alles irgendwie kompliziert, alles irgendwie unklar, und am besten lässt man politisch die Finger davon. So war es nicht verwunderlich, dass Innenminister Boris Pistorius in seiner Rede deutlich machte, dass er in Bezug auf die Flohmärkte eigentlich gar keinen gesetzlichen Änderungsbedarf sieht. Sollen doch die Gemeinden zusehen, ob und wie sie nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg die Genehmigungen erteilen. Die Dummen wären am Ende einzelne Veranstalter oder auch Händler, auf die immer wieder neue Überraschungen warten würden. Mal würde ein Flohmarkt genehmigt, mal eben nicht.
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Es ist gut, dass sich sämtliche Parlamentarier für eine Gesetzesänderung einsetzen. Schließlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Flohmärkte ohne kommerziellen Charakter sollen nicht unter das Ladenöffnungsgesetz fallen.“ Aber wie in der Debatte um die Sonntagsöffnung von Geschäften kam auch hier gestern im Landtag wieder ein „Ja, aber…“. Es solle nur „einen kleinen Teil“ gewerblicher Verkäufer geben, sagte der CDU-Abgeordnete Sebastian Lechner. Innenminister Boris Pistorius sprach von einem „weitgehenden Ausschluss des Verkaufs von Neuwaren“. Jetzt müssen wieder gesetzliche Krücken gefunden werden, mit denen mühsam und willkürlich ein „kleiner Teil“ und ein „weitgehender Ausschluss“ definiert werden kann.
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Die „Ja, aber…“-Politik in Bezug auf die Sonntagsöffnung hat in der Vergangenheit zu absurden Begebenheiten geführt. Ende Januar hatte in Hannover ein Möbelgeschäft an einem Sonntag die Pforten geöffnet. Es war einer der zuvor vom Ordnungsamt mitgeteilten vier verbindlichen Termine für Sonntagsöffnungen. Die City-Gemeinschaft hatte an diesem Sonntag aber kein Interesse und lies die Läden zu. Ihr stehen jetzt aber trotzdem nur noch drei Sonntage in diesem Jahr zur Verfügung. Hinzu kommt ein Streit darüber, ob denn der vom Möbelgeschäft geschaffene Anlass für den verkaufsoffenen Sonntag, eine „Kinder-Olympiade“ auf einer Eisbahn, überhaupt ausgereicht habe. Der Streit ist ebenfalls eine „Ja, aber..“-Folge. Denn für eine Sonntagsöffnung muss dem Gesetz zufolge erst einmal ein künstlicher Anlass konstruiert werden.
Was mancher gerne auf dem Sonntagsflohmarkt macht, vollzieht die Politik beim Ladenschlussgesetz: trödeln.
Das Ladenschluss-Tohuwabohu führt auch zu einer politischen Zurückhaltung in Ministerium und Parlament. Rot-Grün bekam in der gesamten Legislatur kein neues Gesetz zustande, und bei Rot-Schwarz heißt es aktuell ebenfalls: still ruht der See, so still wie man einem Sonntag mit geschlossenen Geschäften. Kaum geht es in der Politik um den Sonntag, wird so getan, als ob bei einer Freigabe der Restriktionen schon ab dem kommenden Wochenende sämtliche Geschäfte jeden Sonntag die Tore öffnen würden.
Dabei wäre das für die Läden ein schlechtes Geschäft, und die nötige Zahl von Mitarbeitern stünde dafür auch gar nicht zur Verfügung. Wenn der SPD-Abgeordnete Bernd Lynack gestern sofort davon sprach, dass Arbeitnehmerinteressen geschützt werden müssten, warf er dabei die typische Argumentations-Nebelkerze. Denn mehr Freiheit bei Sonntagsöffnungen würde schließlich keine Arbeitsschutzregelungen außer Kraft setzen.
Und so bleibt es in der Landespolitik bei der Ladenschluss-Faustformel: Am besten das heiße Eisen gar nicht anfassen, und wenn schon, dann möglichst viele Komplikationen einbauen. Was mancher gerne auf dem Sonntagsflohmarkt macht, vollzieht die Politik beim Ladenschlussgesetz: trödeln.