Der Blaulicht-Messe Interschutz ist die Corona-Pandemie nicht gut bekommen. Die Weltleitmesse für Sicherheit und Rettungswesen hat bei ihrer diesjährigen Auflage einen deutlichen Besucherrückgang verzeichnet, auch wenn das angesichts gut gefüllter Hallen kaum auffiel. An den sechs Veranstaltungstagen zählte die Deutsche Messe AG nur 85.000 Besucher und damit fast nur halb so viel wie noch im Rekordjahr 2015. Damals wurde die Interschutz in Hannover von 157.000 Menschen besucht, 2010 hatte die Messe in Leipzig rund 123.000 Besucher.

Die Veranstalter und Aussteller ziehen trotzdem ein zufriedenes Fazit. „Das war eine der besten Interschutz-Messen, die ich je erlebt habe. Die gezeigten Entwicklungen, Ideen und Konzepte sind fantastisch und helfen uns dabei, einen technischen und aktiven ‚Refresh‘ zum Wohl der Leistungsfähigkeit der Feuerwehren zu erreichen“, sagte Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV). Ähnlich äußerten sich auch Tobias Ehrhard, Chef des Branchenverbands VDMA Feuerwehrtechnik, und Dirk Aschenbrenner von der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (VFDB) sowie zahlreiche Aussteller. Die Rundblick-Redaktion hat auf der Blaulicht-Messe ebenfalls viele spannende Innovationen entdeckt, die nicht nur für Feuerwehrleute interessant sind. Hier sind fünf Höhepunkte der diesjährigen Ausstellung:
Spülmaschinen fürs Gerätehaus: Wie riesige Geschirrspüler mit gläsernen Türen sehen die Reinigungskabinen der Firma Alro Engineering aus Baden-Württemberg aus. Doch statt mit Gläsern, Tellern oder Besteck werden die Waschautomaten mit Feuerwehrhelmen, Atemschutzmasken oder Lungenautomaten gefüllt. Was auf den ersten Blick ein bisschen wie Luxusausstattung wirkt, zeigt sich bei näherer Betrachtung als durchaus sinnvolle Ergänzung fürs Feuerwehrgerätehaus. „Bis hin zum Chemikalienschutzanzug kann ich in diesen Maschinen alles waschen, desinfizieren und trocknen, die Ausrüstung ist nach zwei Stunden wieder einsatzbereit“, sagt Geschäftsführer Axel Rother, der seine Reinigungskabinen schon seit 25 Jahren zusammen mit Feuerwehrleuten entwickelt.

„Wir sind im Moment die einzigen, die so etwas anbieten. Es gibt nichts vergleichbares“, sagt der Unternehmer, der schon mehrere Feuerwehren in Deutschland ausgestattet hat. In Frankfurt, Berlin, mehreren Feuerwehrschulen oder am Flughafen Hannover sind die Reinigungskabinen schon im Einsatz. Rund 12.000 Euro kostet das kleinste Modell, größere Automaten liegen bei 32.000 Euro. Viel Geld für das Budget einer Feuerwehr? Rother sieht das anders: „Wenn Sie nicht gründlich genug reinigen und ein Feuerwehrmitglied bekommt Krebs, kostet das die Gemeinde noch viel mehr. Gerade der Helm wird oft bei der Reinigung stiefmütterlich behandelt.“ Laut internationalen Studien sind Feuerwehrleute besonders gefährdet, an sogenanntem „Feuerkrebs“ zu erkranken, der durch toxische und karzinogene Stoffe sowie mangelhafte Einsatzhygiene verursacht werden kann. Zudem betont Rother die Langlebigkeit seiner Maschinen, die eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren hätten. „Die älteste Maschine von uns besteht seit 1998 in Bad Bergzabern in der Pfalz, und die läuft immer noch.“
Feuerwehrstiefel mit Schnellverschluss: Mehrere namhafte Feuerwehrfahrzeughersteller wie Magirus, Schlingmann und Ziegler hatten schon frühzeitig ihre Teilnahme an der Interschutz 2022 abgesagt, weil man aufgrund von Corona, Inflation sowie Rohstoff- und Energiekrise nicht an einen Erfolg der Messe geglaubt hat. Die österreichische Firma Rosenbauer, die nach eigenen Angaben einen Weltmarktanteil von 15 Prozent hat, fuhr dagegen sprichwörtlich groß auf. Das Unternehmen zeigte in Hannover sogar erstmals sein neues rein elektrisches Flughafenlöschfahrzeug „Panther electric“, das 2024 in Serie gehen soll. Die Weltpremiere war aber nicht die einzige Neuvorstellung der Firma Rosenbauer, die die Halle 27 allein schon durch die schiere Größe ihres Stands dominierte. Das Unternehmen präsentierte auch seinen neuen Feuerwehrstiefel „Boros B4“, der mit Michelin-Sohle, Durchtrittschutz aus Stahl und einem neuartigen Verschlusssystem daherkommt. „Das System kann innerhalb von einer Sekunde geschlossen werden. Man benötigt jeweils nur eine Hand und kann das gleichzeitig machen. Man muss nur am Griffstück ziehen und der Stiefel zieht sich so fest zusammen, wie man‘s gerne hätte“, erläutert Thomas Pfatschbacher. Stolz ist der Leiter für Technische Ausrüstung auch auf die neue „Powerstation RTE PS 2“, die man sich als eine mobile Powerbank für Feuerwehrlüfter vorstellen kann. Der Hochleistungsakku verfügt zudem über zwei Haushaltssteckdosen, sodass sich auch Elektrogrill, LED-Strahler oder Outdoor-Musikanlagen anschließen lassen. Mithilfe von zwei Plug-In-Solarpaneels lässt sich der Akku innerhalb von 3 Stunden sogar klimafreundlich wieder aufladen.
Evakuierungsübung auf dem Handy: Der Name ist Programm: „Firedrill“ heißt eine neue Smartphone-App, die den Brandschutz mit „Pokémon Go“ kombiniert. „Unternehmen müssen ihre Beschäftigten in der Regel einmal pro Jahr im Brandschutz unterweisen, aber das ist schwierig hinzukriegen – gerade in Zeiten von immer flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitsmodellen“, sagt Geschäftsführer Jens Thiemann. Auf Anregung der VGH Versicherung in Hannover haben Thiemann und sein Team deswegen eine „Mixed Reality“-App entwickelt, mit der Evakuierungsübungen auch für einzelne Beschäftigte möglich sind.

Die Arbeitnehmer können jederzeit am Arbeitsplatz das Handy zücken, die App öffnen und eine Übung durchspielen. Dabei erhalten sie zwar virtuelle Informationen, müssen sich aber anhand der Rettungswege real durch das Gebäude bewegen. Die App macht die Nutzer dabei unter anderem auch auf alternative Rettungswege, Feuerlöscher oder Erste-Hilfe-Kästen aufmerksam. „Dadurch lernt man deutlich besser, welche Hilfsmittel in einem Unternehmen eigentlich vorhanden sind“, sagt Thiemann. Bei der VGH Versicherung in Hannover, wo rund 2200 Menschen arbeiten, ist die App seit einem Dreivierteljahr im Einsatz. „Jeden Tag laufen Beschäftigte mit der App durch den Betrieb“, berichtet Thiemann, der zwar die Rohdaten auswerten kann, aber ansonsten die Nutzer beruhigt: „Datenschutz ist kein Problem. Personen werden datentechnisch gar nicht erst erfasst.“
Die handliche Rettungsschere: Wer schon mal eine hydraulische Rettungsschere in der Hand gehalten hat, wird den Mehrwert eines Minischneidgeräts nachvollziehen können. Denn akkubetriebene Rettungsgeräte können gerne bis zu 25 Kilogramm wiegen und machen die technische Hilfeleistung zu einem echten Kraftakt. Außerdem sind große Schneidgeräte beim Durchtrennen von Kopfstützen oder Lenkrädern oft zu sperrig und kleinere Schneidgeräte kamen bislang nicht ohne Kabel aus. Der Rettungsgerätehersteller Holmatro präsentierte auf der Interschutz nun erstmals seinen neuen kabellosen und nur fünf Kilogramm schweren „Mini-Cutter“, mit dem die Niederländer den internationalen Mitbewerbern Weber Rescue und Lukas Hydraulik einen Schritt voraus sind.

„Bisher hat es noch niemand geschafft, das in diese kompakte Bauart zu bringen. Das Problem ist nämlich, die Ölwanne so klein zu kriegen“, erläutert Holmatro-Verkaufsleiter Henning Flentje, der allgemein einen Trend zum kabellosen Rettungsgerät feststellt. Rund 70 Prozent aller Neuverkäufe hätten bereits einen Akku. „Das liegt daran, dass die Folgekosten in der Wartung wesentlich einfacher sind. Das ist gerade in der Tagesverfügbarkeit wichtig, weil hier nicht mehr so viele Einsatzkräfte verfügbar sind“, sagt Flentje, der selbst bei der Feuerwehr Barsinghausen aktiv ist. Dass den Geräten mitten im Einsatz die Energie ausgehen könnte, sieht er nicht als Gefahr, denn man habe ja immer mehrere Akkus als Backup dabei. Der Stromverbrauch sei bei manchen Fahrzeugen allerdings schon sehr groß. Flentje: „Bei einem modernen BMW macht das keine Knirschgeräusche mehr, das knallt nur noch, weil das Blech so stark unter Spannung steht.“
Ein Roboter für brenzlige Situationen: Vor gar nicht allzu langer Zeit wäre der Löschroboter „Wolf R1“ noch als Science Fiction abgestempelt worden. Doch der taktische Einsatzroboter hat nicht nur die Serienreife erlangt, sondern ist auch schon erfolgreich von der Feuerwehr Vechta getestet worden. Auf der Interschutz hat die Firma Alpha Robotics aus Vechta seine Neuentwicklung in Kooperation mit Magirus nun erstmals vorgestellt. Vor allem bei der Waldbrandbekämpfung eröffnet der „Wolf R1“ ganz neue Möglichkeiten. „Häufig geht da nur Löschen von oben. Mit einem unbemannten Fahrzeug können wir aber trotzdem reinfahren“, erläutert der Unternehmenssprecher Philipp Hartke. Sein volles Potenzial entfaltet der akkubetriebene Einsatzroboter in Kombination mit einem speziellen Löschgruppenfahrzeug vom Typ LF20, das neben dem Roboter auch noch Begleitdrohnen, Wassertank, Pumpe und Roboterleitstand mit sich führt.

Die Bilder der vier Roboterkameras werden direkt ins Fahrzeug gespiegelt, wo der Roboter mittels Drohnenunterstützung bis zu 3 Kilometer ferngesteuert werden kann. Während die Feuerwehrleute im klimatisierten Innenraum sitzen, kann der Roboter mitten im Gefahrenzentrum bis zu 2500 Liter Wasser oder Schaum pro Minute bis zu 70 Meter weit werfen. Erst, wenn ihm das Wasser ausgeht, muss der „Wolf R1“ wieder in eine sichere Position zurückgezogen werden. Über das sogenannte „Tacticnet“ können die Livebilder des Roboters auch in die Einsatzstelle übertragen werden. Das geht auch dort, wo es eigentlich keine Internetverbindung gibt, indem die Einsatzfahrzeuge untereinander wie riesige WLAN-Repeater funktionieren. „So schaffen wir eine Netzabdeckung, die überall verfügbar ist“, sagt Hartke.