Wie die Agrarministerin auf den wachsenden Druck der Opposition reagiert
Seit ein paar Wochen befindet sich Barbara Otte-Kinast, die Landwirtschaftsministerin, unter verstärkter Beobachtung durch die Opposition. Als Seiteneinsteigerin ist die frühere Landfrauenvorsitzende, die von der Kommunalpolitik direkt in die Landesregierung kam und mit politischen Prozessen vorher nur wenig Berührung hatte, wiederholt in ein paar Fettnäpfchen getreten. Geld für die Weideprämie, die eigentlich angekündigt war, wurde von ihrem Haus für den Nachtragshaushaltsplan nicht beantragt.
Im Ministerium hatte sie gleich nach Amtsantritt forsch mehrere Umbesetzungen angeordnet und damit bei mehreren eine unruhige Stimmung erzeugt. Der Gipfelpunkt war dann Anfang April ihre Ankündigung, den bisherigen „Tierschutzplan“ ihres Vor-Vorgängers Gert Lindemann (CDU), in „niedersächsische Nutztierhaltungsstrategie“ umzubenennen. Sie tat es offenbar, ohne sich das vorher von den Koalitionsfraktionen absegnen zu lassen. Prompt ging nicht nur die SPD auf Distanz zu ihr, sondern auch die Union.
Am gestrigen Donnerstag nun stand Otte-Kinast Rede und Antwort im Plenum. Die Opposition witterte die Chance, eine angezählte Ministerin bloß zu stellen. Dazu hatten die Grünen eine Parlamentsanfrage formuliert, und hohe Aufmerksamkeit war der Ministerin für ihre Antworten garantiert. Wie würde sie es schaffen, die Verwirrung der vergangenen Wochen aufzulösen? Immerhin war bereits vor ein paar Tagen aus der Koalition schon die Botschaft gekommen, das Vorhaben einer Umbenennung des „Tierschutzplans“ werde aufgegeben, Otte-Kinast kehre also wenigstens in diesem Punkt auf den Pfad der Tugend zurück. Tat sie es aus Überzeugung und mit neuer Tatkraft, oder nur unter Druck wie eine Getriebene?
Kein Befreiungsschlag
Ein richtig überzeugender Auftritt im Landtag gelang der Ministerin gestern nicht. Sie gab sich zwar nach Kräften Mühe, die entstandenen Irritationen auszuräumen. Der Eindruck, sie wolle vom Tierschutz abrücken zugunsten weniger Auflagen für die Landwirte, sei nicht zutreffend – es gehe vielmehr um die Weiterentwicklung des bisherigen Weges, ganz ohne irgendeine Kurskorrektur. Mehrere offenbar vorbereitete Fragen von Koalitionsabgeordneten wurden gestellt, mehr von Sozial- als von Christdemokraten. Sie sollten Otte-Kinast Gelegenheit geben, ihr politisches Programm ausführlich vor dem Parlament zu erläutern und die Angriffe der Opposition zu verwässern. Doch bei den Antworten las die Ministerin oft von einem vorbereiteten Zettel ab, wiederholte sich mehrfach und blieb bei wichtigen Punkten wenig konkret. Wie ein großer Schritt nach vorn kam das bei vielen Zuhörern nicht an. Ein Befreiungsschlag, den sie gebraucht hätte, würde anders aussehen.
Dabei hatte sich Otte-Kinast eine neue Wortschöpfung zurechtgelegt. Da sie sich nicht die Blöße geben wollte, die angekündigte Namensänderung in „niedersächsische Nutztierhaltungsstrategie“ einfach zurückzunehmen, bekannte sie sich nicht zu bisherigen „Tierschutzplan“ sondern sprach von „Tierschutzplan 4.0“. Dieser sei eine Weiterentwicklung des Bestehenden, also tatsächlich eine „niedersächsische Nutztierhaltungsstrategie“.
Was heißt das nun in der Praxis? Der „Tierschutzplan“ von Lindemann, der von dessen Nachfolger Christian Meyer (Grüne) übernommen wurde, sah für bestimmte Schritte konkrete Fristen vor – etwa das Schnabelkürzen bei Legehennen und Puten, der Verzicht auf das Kürzen von Ringelschwänzen bei Schweinen, das Verbot des „Schredderns“ männlicher Küken oder der betäubungslosen Kastration von Ferkeln. Von den bisherigen strikten Terminvorgaben in diesem Zusammenhang hält Otte-Kinast wenig, sie will in jedem Einzelfall pragmatisch die Auswirkungen und Kosten abschätzen: Nutzen die Verbote dem Tierschutz oder schwächen sie eher die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte? Sind manche Vorgaben kontraproduktiv, weil am Ende weniger als mehr Tierschutz herrscht – wenn etwa Hennen, deren Schnäbel nicht gekürzt werden, sich in den Ställen verstärkt gegenseitig umbringen?
Nun soll alles besser und effektiver laufen
Otte-Kinast sagte, der auf sieben Jahre angelegte „Tierschutzplan“ von Lindemann sei jetzt abgelaufen, nun trete man in die nächste Phase und wolle auch neue Fragen behandeln. Etwa die, wie ausländische Tiertransporte durch Deutschland, in viel zu engen Lastwagen, unterbunden werden können. Oder die Frage, wie mit vereinfachten Stallum- und -neubauten die Landwirte den Tieren bessere Bedingungen bieten könnten. Eine „Arbeitsgruppe Folgenabschätzung“, in der Wissenschaftler, Landwirte, Verbands- und Ministeriumsvertreter zusammenwirken, soll diese und andere Details untersuchen. Schon zu Meyers Amtszeit gab es ein solches Gremium, doch es kam damals nicht weit. Nun soll es alles besser und effektiver laufen, meint Otte-Kinast.
Bei der Opposition jedenfalls wird sie weiter skeptisch beäugt. Welchen Grund sie denn gehabt habe, einen „völlig uneingängigen Doppelnamen ,niedersächsische Tierschutzstrategie‘“ gegen das Markenzeichen „Tierschutzplan“ einzutauschen, wurde die Agrarministerin von Miriam Staudte (Grüne) gefragt. Eine Antwort, die jeden im Parlament überzeugt hätte, blieb sie schuldig. (kw)