Voller Überschwang feierten die Verkehrsminister der Länder kürzlich im Bundesrat das neue Deutschlandticket. „Das ist die größte Revolution bei Bus und Bahn seit Jahrzehnten“, meint der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Der brandenburgische Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) spricht von einer „neuen Zeitrechnung für den ÖPNV“, die Bremer Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) vom „Ende der Kleinstaaterei im Nahverkehr“. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) bezeichnet das D-Ticket aus der Ferne als einen „Quantensprung“. Und auch der Parlamentarische Staatssekretär Michael Theurer (FPD) aus dem Bundesverkehrsministerium nennt das Deutschlandticket einen „riesigen Fortschritt für die Menschen“. Der gemeinsame Jubel markiert aber nicht mehr als einen Zwischenerfolg.

Bei der Frage, wie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland finanziert werden muss, sind Bund und Länder weiterhin tief zerstritten. Während insbesondere die Flächenländer mehr Regionalisierungsmittel vom Bund fordern, verweist das Bundesverkehrsministerium fast schon genüsslich auf Artikel 106 des Grundgesetzes, nach dem die Länder für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig sind. Die 3 Milliarden Euro für das D-Ticket, die zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden, hält Theurer für ausreichend. „Ob jetzt wirklich so viele Mehrkosten entstehen wie befürchtet – darüber gehen die Meinungen auseinander“, sagt der FDP-Mann aus Tübingen.

Theurer argumentiert dabei wie folgt: „Je mehr Menschen in Deutschland dieses Abo haben, desto mehr Einnahmen erzielt dieses Ticket ja auch. Und wenn die Menschen dieses Ticket haben, werden sie es ja auch nicht alle gleichzeitig nutzen. Insofern bezahlen diejenigen, die es dann kaufen auch die Vorhaltung der Infrastruktur und des Angebots mit.“ Über die nächste Erhöhung der Regionalisierungsmittel will der Parlamentarische Staatssekretär deswegen auch am liebsten erst wieder 2024 sprechen, wenn eine „valide Prüfung“ der Einnahmeausfälle durch das Deutschlandticket vorliegt. Die Verlagerung des Verkehrs auf Schiene und Busse sei zwar „ein ganz wichtiges Element der Verkehrswende, eine ganz wichtige Aufgabe dieser Koalition“. Abgesehen vom Ausbau des staatlichen Schienennetzes sieht der Staatssekretär aber keinen besonderen Handlungsbedarf für den Bund. „Das, was jetzt geschehen muss, erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, also den Schulterschluss aller staatlichen Ebenen von Bund, Ländern bis in die Gemeinden“, sagt Theurer.

Die Halbe-halbe-Finanzierung wird aus Ländersicht jedoch nicht für eine Verkehrswende ausreichen. „Die Kosten laufen den Einnahmen überall davon. Der Bund muss seiner Verpflichtung nachkommen, die Regionalisierungsmittel weiter zu erhöhen, denn nur so können die Länder ihrer Aufgabe der Verbesserung des Angebots nachkommen“, sagt Beermann. Das Ergebnis des jüngsten Koalitionsausschusses versteht er allerdings so, dass die Bundesregierung eine solche Erhöhung „indirekt ausschließt“. „Lieber Herr Theurer, das ist nicht akzeptabel“, tadelt der CDU-Politiker. Auch sein SPD-Amtskollege aus Niedersachsen macht hier Druck auf die Ampelkoalition.

„Ich habe die klare Erwartung, dass der Bund die Regionalisierungsmittel in den nächsten Jahren entsprechend aufstockt, und zwar dauerhaft“, sagt Lies. Ohne ein nutzbares und attraktives Angebot vor Ort werde das D-Ticket gerade im ländlichen Raum nicht seinen gewünschten Effekt erzielen können. „Wir müssen auch weiterhin die Bestandverkehre absichern und den ÖPNV ausbauen“, sagt Lies übereinstimmend mit Beermann. Der Brandenburger spricht zudem einen wunden Punkt aus den Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket im Sommer 2022 an: „Das Deutschlandticket darf nicht dazu führen, dass wir jeden Sommer einen Ausnahmezustand im ÖPNV haben. Das geht zulasten der Fahrgäste, zulasten der Infrastruktur und zulasten des Personals.“

„Wir rechnen durch das Deutschlandticket mit einem erheblichen Anstieg der Verkaufszahlen“, sagt Ralf Sygusch, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Region Braunschweig (VRB). Ob es dadurch zu Engpässen kommen wird, kann er zwar noch nicht abschätzen. Eine erhöhte Auslastung sieht Sygusch aber zunächst einmal positiv. „Das ist ein Anheizen der Verkehrswende. Ob in der Folge mehr Ressourcen notwendig werden, das werden wir im Prozess feststellen und bewerten müssen“, ergänzt Co-Geschäftsführer Jörg Reincke. Anders als in anderen Tarifregionen sei der VRB auch während der Zeit des 9-Euro-Tickets mit seinen Ressourcen zurechtgekommen. Allerdings habe es durch das Klimaticket auch keinen nennenswerten Anstieg an Berufspendlern gegeben, sondern vielmehr an „touristischen Verkehren zu Zeiten, die nicht voll ausgeschöpft waren“, sagt Reinecke.
