Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat an die Bevölkerung appelliert, jeglicher Form der Gewalt gegen Politiker, Amtsträger und Rettungskräfte entschieden zu begegnen. „Man sollte sich auch nicht scheuen, der Polizei Bescheid zu sagen, wenn man sieht, dass Wahlplakate beschädigt werden.“ Der Regierungschef äußerte sich im Landtag anlässlich einer von der SPD beantragten aktuellen Debatte zu den häufiger gewordenen Vorfällen politisch motivierter Gewalt in Deutschland.

Ministerpräsident Stephan Weil nimmt im Landtag Stellung zu den jüngsten Angriffen auf Politiker. | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Dabei befürwortete Weil eine Veränderung des Strafrechts, betonte aber, das nicht im Sinne einer Erhöhung des Strafmaßes verstanden zu wissen. „Wer aus einer demokratiefeindlichen Gesinnung heraus eine Körperverletzung begeht, der muss die Strafe dafür auch zu spüren bekommen“, betonte Weil und erklärte, er habe Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Kathrin Wahlmann gebeten, die Chancen von beschleunigten Strafverfahren zu prüfen. Erschreckend seien die jüngsten Erkenntnisse einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung, wonach 13 Prozent der Befragten die Aussage bejahten, dass Politiker „es verdient haben, wenn Wut in Gewalt ihnen gegenüber umschlägt“. Gegenüber früheren Befragungen sei dieser Wert eine „dramatische Steigerung“.

In der Debatte betonte Weil, dass es für die Landesregierung „keine gute oder schlechte Form der Gewalt gibt“. Ausdrücklich verurteilte er auch die Übergriffe auf den AfD-Landtagsabgeordneten Holger Kühnlenz am 4. Mai in Nordhorn. Bei dieser Passage seiner Rede bekam der Ministerpräsident auch Beifall aus den AfD-Reihen. Weil fügte aber hinzu, dass die AfD auch prüfen müsse, was sie selbst zu einer aufgeheizten Stimmung im Lande beigetragen habe. Die Querverbindungen zu verfassungsfeindlichen Gruppen seien auffällig. Es sei ja berechtigt, dass viele Menschen meinten, von der AfD gehe eine Gefahr für die Demokratie aus. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Grant Hendrik Tonne erklärte, für ihn sei die AfD die Verursacherin der Zunahme von Hass und Gewalt in Deutschland. Zu den Mitteln der AfD gehöre die Delegitimierung der politischen Konkurrenz, das Schüren von Ängsten und die bewusste Desinformation.

„Es kann nicht sein, dass rechtsextreme Mitarbeiter einer Fraktion, die von den Steuerzahlern bezahlt werden, hier herumspionieren können.“

Anne Kura, Fraktionschefin der Grünen im Landtag

Dass in der AfD-Landtagsfraktion Mitarbeiter beschäftigt werden, die keinen klaren Trennungsstrich zu rechtsextremen oder identitären Bewegungen ziehen, sei ein Skandal. „Wir haben die Landtagspräsidentin gebeten, eine Hausordnung aufzustellen. Das kann etwa bedeuten, dass es vor der Einstellung von Mitarbeitern Regelabfragen beim Verfassungsschutz oder die Notwendigkeit eines polizeilichen Führungszeugnisses gibt.“ Die Grünen-Fraktionschefin Anne Kura meinte dazu: „Es kann nicht sein, dass rechtsextreme Mitarbeiter einer Fraktion, die von den Steuerzahlern bezahlt werden, hier herumspionieren können.“ Aus Kuras Sicht wäre es „nun Zeit für ein Verfahren zum Verbot der AfD“. André Bock (CDU) meinte, der Verfassungsschutz müsse gestärkt werden. Dazu müssten auch mehr Mittel für die Sicherheitskräfte gehören, die Vorratsdatenspeicherung müsse endlich erlaubt werden – hier müsse Innenministerin Daniela Behrens (SPD) nachbessern.

„Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die Demokratie“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Kura. | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wichmann betonte, aus seiner Sicht sei eine Analyse der Frage sinnvoll, warum die politisch motivierte Gewalt enorm zugenommen hat. Aus seiner Sicht beunruhigend ist die Tatsache, dass vor allem die Gewaltbereitschaft bei jungen Leuten wachse. Wichmann fügte hinzu, dass auch der Umgang der anderen Parteien mit der AfD eine Ursache der wachsenden Aggressivität sei. „Wenn man mit einer Gruppe das Gespräch verweigert und den politischen Gegner abwertet, ihn geradezu zum Teufel in Menschengestalt erklärt, dann wundert mich die Zunahme der politischen Gewalt nicht.“ Als Beispiele nannte er Hendrik Wüst (CDU) und Saskia Esken (SPD), die die AfD als „Nazi-Partei“ bezeichnet hätten. Wenn in Demonstrationen ein Transparent hochgehalten werde mit dem Motto „Nazis töten!“, dann frage er in Richtung SPD, Grüne und CDU: „Merken Sie nicht, dass Sie selbst ein Teil des Aufrufes zur Gewalt sind?“