20. Juni 2019 · 
Finanzen

Wegen der Nord/LB? Finanzminister von Sachsen-Anhalt erklärt seinen Rücktritt

Der Rücktritt des sachsen-anhaltinischen Finanzministers André Schröder (CDU) am gestrigen Donnerstag hat die politischen Akteure auch in Niedersachsen kräftig irritiert – denn als Begründung wurde aus Magdeburg mitgeteilt, der Minister sei über seine undurchsichtige Informationsarbeit zur Norddeutschen Landesbank gestolpert, außerdem gebe es „neu entdeckte Risiken“ bei der Nord/LB. Eine Bestätigung dafür gab es bis gestern Abend, auch inoffiziell, allerdings nicht. Zwar hat es in den vergangenen Wochen mehrere Verwirrungen gegeben, die sich um interne Prüfungen ranken und um die Formulierung in den Verträgen, die demnächst in den Landtagen von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern beraten und entschieden werden müssen. Diese haben sich aber, wie aus der Landesregierung in Hannover verlautet, mittlerweile wieder beruhigt. Es wird in Hannover fest damit gerechnet, dass die Landesregierung aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt auch nach Schröders Rücktritt zu der Zusage stehen wird, einen Beitrag von 198 Millionen Euro zur Stabilisierung der Landesbank zu leisten.

EU-Kommission muss das Konzept noch prüfen

Der Amtswechsel in Magdeburg geschieht kurz vor entscheidenden Weichenstellungen im Rettungskonzept für die Nord/LB. Die Landesbank, die wegen fauler Schiffskredite und einer schwachen Eigenkapitalbasis in die Krise geriet, wird mit 3,5 Milliarden Euro gestützt – von den bisherigen Eigentümern, den Ländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, und den Sparkassenverbänden aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Als neuer Eigentümer tritt nun der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) hinzu. Die Sparkassenseite steuert 1,2 Milliarden Euro bei, das Land Niedersachsen gibt 1,5 Milliarden Euro und zudem 800 Millionen Euro an Garantien, das Land Sachsen-Anhalt 198 Millionen Euro. Die Bankenaufsicht von Europäischer Zentralbank, Bafin und Bundesbank hat das Konzept inzwischen abgesegnet. Die EU-Kommission muss noch prüfen, ob das Konzept eine unzulässige staatliche Beihilfe wäre – nämlich dann, wenn das finanzielle Engagement der Länder nicht rentabel wäre, weil beispielsweise nicht die erwünschte Rendite von acht Prozent dabei hinauskommt. Wann die EU-Kommission entscheidet, weiß auch in Hannover niemand. Die Hoffnungen richten sich darauf, dies könne noch die amtierende alte EU-Kommission abschließen – und dies könne noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause im Juli geschehen. Wieso wurde nun in Magdeburg der Sturz von Schröder mit vermeintlichen „neuen Risiken“ bei der Nord/LB verknüpft? Womöglich waren zwei komplizierte Details, die sich nur einem internen Kreis offenbarten, bewusst oder unbewusst missverständlich weiterverbreitet worden. So hatte die Finanzaufsicht (EZB und Bundesbank) vor einigen Wochen geprüft, ob eine „Verbriefung“ bei der Nord/LB ausreichend abgesichert ist, also die Übertragung eines Risikos an einen Investor. Es wurde vor allem auf der Sparkassenseite vermutet, es könnte wegen Bedenken der Aufsicht noch ein weiterer Kapitalbedarf nötig werden. Doch derartige Mutmaßungen bestätigten sich nicht, die Prüfung ging gut aus – die Sorge vor womöglich nötigen weiteren Finanzspritzen war unbegründet. Dieser positive Ausgang der Debatte hat sich bisher aber wohl noch nicht generell verbreitet. Das ist auch deshalb schwierig, weil die Finanzminister Reinhold Hilbers in Hannover und bisher André Schröder in Magdeburg als Nord/LB-Aufsichtsratsmitglieder weitgehend zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Wurde ein Versehen für Schröders Sturz genutzt?

Es hatte aber noch eine zweite verwirrende Botschaft gegeben, die gerade in Magdeburg bei den ohnehin zahlreichen Kritikern von Minister Schröder auf lebhaftes Interesse gestoßen sein muss. In der kommenden Woche werden die neuen Träger der Nord/LB einen Grundlagenvertrag absegnen, es folgen dann noch der Entwurf des Staatsvertrags (der drei Landtage passieren muss) und ein Stützungsvertrag. Da Sachsen-Anhalt sichergestellt wissen will, die bisher zur Nord/LB zählende Förderbank (ähnlich wie die N-Bank in Niedersachsen) notfalls auch ohne Zustimmung der Nord/LB-Gremien ausgliedern und verselbstständigen zu können, sorgte der Entwurf des Stützungsvertrags intern für Wirbel. In diesem war nämlich diese Zusage an Magdeburg nicht ausdrücklich enthalten. Das war zwar ein Versehen, heißt es, aber die Kritiker von Minister Schröder in der CDU-Landtagsfraktion (zwölf Abgeordnete) nutzten das Versäumnis wohl als weiteren Grund, ihm intern das Vertrauen zu entziehen und sich an den Ministerpräsidenten zu wenden – was mit Schröders Sturz endete. Derweil bleibt offen, wie es mit der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) weiter geht. Sie bleibt bislang Teil der Landesbank. Kommunalpolitiker aus Braunschweig, Holzminden, Salzgitter und Wolfenbüttel würden die BLSK mit ihren rund 1000 Beschäftigten gern in kommunale Regie übernehmen – offenbar auch in der Sorge, als fortgesetzte Institution der Nord/LB könnte sie beim Sparprogramm der Nord/LB unter die Räder geraten, vor allem dann, wenn die EU-Kommission weitere Sparauflagen verhängen sollte. Hilbers hat den beiden Oberbürgermeistern und Landrätinnen jetzt zugesagt, offen für eine Kommunalisierung der BLSK zu sein. Allerdings müssten die Kommunen dafür viel Geld aufbringen, von bis zu 700 Millionen Euro ist die Rede. Noch niemand weiß, wie das klappen könnte.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #115.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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