Bisher hatten die Behörden kaum Möglichkeiten, die Verteil-Aktionen des Koran in Fußgängerzonen der Städte zu unterbinden. Jetzt soll das anders werden: In ihrer gestrigen Sitzung hat die Landesregierung entschieden, eine Änderung des Straßengesetzes anzuschieben. Wenn alles glatt läuft, soll die Reform noch bis zur Sommerpause im Landtag beschlossen werden, erklärte Innenminister Boris Pistorius (SPD). Sie sieht vor, dass künftig auch Sicherheitsbelange eine Rolle spielen, wenn derartige Informationsstände behördlich erlaubt werden. Sobald „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen“, dass „die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ beeinträchtigt würden, dürfen die Ordnungsämter die Genehmigung versagen. Bislang war das schwer, da Sicherheitsaspekte laut Gesetz keine Rolle spielten. Schwierig ist das Vorgehen gegen derartige Anträge gegenwärtig auch deshalb, da die Anmelder oft nicht erkennbar einer verfassungsfeindlichen Organisation zuzuordnen sind. Außerdem sind Koran-Verteilaktionen vordergründig gewaltfrei, obwohl – wie in der Begründung zum Gesetzentwurf zu lesen ist – mehr dahintersteckt: „Salafisten nutzen diese Aktionen, um mit jungen Menschen in Kontakt zu treten und salafistisches Gedankengut zu verbreiten“. Das könne die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen.

 


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Die nun im Entwurf des Straßengesetzes vorgesehene Hürde für ein Verbot ist viel niedriger als die im geltenden Versammlungsgesetz. Dort heißt es, dass eine Versammlung untersagt werden kann, wenn man damit eine „unmittelbare Gefahr abwehren“ will. Eine solche Definition dürfte bei Koran-Verteilaktionen, die zumindest nach ihrer äußeren Form friedlich verlaufen, kaum angewandt werden können. Die „Beeinträchtigung der Sicherheit“, wie sie im Straßengesetz nun verankert werden soll, setzt hingegen keine Gefahr einer gewaltsamen Zuspitzung voraus. Zwar heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass neben Koran-Verteilaktionen vermutlich keine anderen Fälle auftreten, bei denen man diese Regel anwenden kann. Doch auf Nachfragen erklärte Pistorius vor Journalisten, dass ein Verbot von Informationsständen in Innenstädten auch denkbar wäre, wenn derartige Aktionen handgreifliche Proteste von Gegnern auslösen könnten. Ausdrücklich fügte der Minister aber hinzu, dass dies nicht für das Auftreten von Parteien gilt, denn diese genössen das Parteienprivileg und hätten damit Anspruch auf staatlichen Schutz gegenüber möglichen Störern. Bei anderen Organisationen, die keine Parteien sind, reichten kleinere Störaktionen an Informationsständen außerdem nicht aus, um auf der Grundlage der Neuregelung ein Verbot zu rechtfertigen. Und wenn es doch zu Verboten komme, stehe es jedem Veranstalter auch künftig frei, dagegen den juristischen Weg vor Verwaltungsgerichten einzuschlagen.

Verbot kann mit Versammlungsgesetz ausgehebelt werden

Der FDP-Politiker Björn Försterling nannte den Gesetzesvorschlag der Großen Koalition „heiße Luft und eine PR-Aktion“. Jeder Anmelder von Informationsständen, der bei Inkrafttreten der neuen Regel ein Verbot ernte, brauche sich nur auf das Versammlungsgesetz und die Religionsfreiheit zu berufen und werde sich damit spätestens vor Gericht durchsetzen. Die dort fixierten Normen würden ausdrücklich gestatten, was man jetzt über umständliche Änderungen im Straßengesetz untersagen wolle. „Wenn Pistorius die salafistischen Organisationen wirklich bekämpfen will, sollte er endlich den DIK Hannover und die DMG Braunschweig verbieten“, meint Försterling. Nur das sei ein effektives Vorgehen gegen derartige Organisationen. Pistorius erklärte, für ein Verbot salafistischer Moscheevereine seien mehrere Voraussetzungen nötig – der Zweck solcher Organisationen müsse sich gegen Gesetze und die Verfassungsordnung richten, außerdem gegen das Gebot der Völkerverständigung. Religiöse Vereinigungen müssten zudem aktiv gegen das politische System arbeiten. Wenn man das aber nicht nachweisen könne, fehlten gerichtsverwertbare Beweise.