8. Sept. 2023 · 
Kommunales

Was hilft gegen Leerstand: Enteignung oder Hoffnung auf die Gnade der Investoren?

Wenn inmitten einer einstmals belebten Innenstadt die Gebäude leer stehen, ist das eigentlich immer ein trauriger Anblick. Steht in einer noch belebten Innenstadt aber ein ehemals großes Kaufhaus leer – und das auch schon eine Weile –, dann ist sogar Gefahr im Verzug. Wie ein fauliger Zahn droht der Leerstand seinen Schmerz auszustrahlen auf die gesamte Umgebung. Der Reflex lautet daher schnell: Da muss doch jemand etwas tun – eine Notoperation!

Rätselraten in den Kommunen: Wie soll die Politik auf ungenutzte große Immobilien in den Innenstädten reagieren? | Foto: Link

Beobachten kann man das beispielsweise in Hannover, wo schon seit Jahren das ehemalige Karstadt-Gebäude im Dreieck zwischen Georg-, Schiller- und Andreaestraße ungenutzt dasteht. Ein spitz zulaufendes Nichts mitten auf der Shoppingmeile zwischen Kröpcke und Steintorplatz. Der Eigentümer rührt sich nicht, die Stadt schaut ungeduldig zu und die Bevölkerung ahnt, dass dieses leere Gebäude noch Probleme machen wird. Doch mit welchem Instrumentenkasten soll man sich einem solchen Patienten nähern? Kann man den Eigentümer nicht einfach enteignen oder anderweitig zum Einlenken zwingen?

Gegenüber dem Friedrich-Schiller-Denkmal in der hannoverschen Innenstadt befindet sich das frühere Karstadt-Kaufhaus, das seit Oktober 2020 leer steht. | Foto: Link

Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des niedersächsischen Städtetags (NST), weiß um die Herausforderungen, die solche Häuser mit sich bringen. Doch gleichzeitig warnt er vor einem Vorgehen mit dem Holzhammer. Ob leere Wohnungen oder leere Gewerbeflächen: In den allermeisten Fällen biete der bestehende rechtliche Rahmen ausreichend Handlungsmöglichkeiten, um dagegen vorzugehen, sagt Arning im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Jeder Eigentümer, ob von einer kleinen oder einer großen Immobilie, müsse ein Interesse daran haben, diese zu vermieten – allein schon, um die Kosten für Instandhaltung und anderes steuerlich geltend machen zu können. Bleibt ein Haus oder eine Wohnung zu lange leer, und kann der Vermieter dann seine eigentliche Vermietungsabsicht nicht nachweisen, kann das Finanzamt schon jetzt auf Liebhaberei plädieren oder den Wert der Immobilie aufs Privateigentum anrechnen.

Jan Arning | Foto: NST

Ein paar Monate kann das Gebäude also gut und gerne mal leer stehen. Danach wird es dann zum Problem, wie etwa beim ehemaligen Karstadt-Haus, wo man dem Eigentümer schon unterstellen könnte, einfach nur auf bessere Preise oder das Einknicken der Kommune zu spekulieren. In solchen Fällen, wenn Spekulation im Raum steht, könnte man aus seiner Sicht über eine neue Steuer nachdenken, erläutert NST-Hauptgeschäftsführer Arning im Rundblick-Gespräch – stellt aber zugleich fest, dass sich sein Verband zum jetzigen Zeitpunkt nicht für die Einführung einer neuen Steuer ausspricht.

Immobilienspekulation erlebte man in den vergangenen Jahren beispielsweise in Boom-Städten wie Hamburg, München oder Frankfurt, wo weder verkauft noch vermietet wurde, weil man auf steigende Immobilienpreise gesetzt hatte. In Ansätzen konnte man diese auch bei dem Neubauprojekt Wasserstadt in Hannover vermuten. Was die Modelle einer Spekulationssteuer angeht, lohnt ein Blick nach Kanada. Dort müssen aktuell ausländische Käufer in bestimmten Regionen eine solche einmalige Steuer in Höhe von 15 Prozent auf den Kaufpreis ihrer Immobilie entrichten.

Ein Vorbild für Deutschland ist das aber wohl auf absehbare Zeit vermutlich nicht. Als Hebel für niedersächsische Kommunen, um Spekulationen auf Bauland entgegenzuwirken, gibt es zudem bereits die Grundsteuer C. Mit dieser können baureife, aber unbebaute Grundstücke belastet werden, um die Eigentümer zum Handeln zu drängen. Der Wohnraum wird in Niedersachsen ohnehin durch das Zweckentfremdungs- und das Wohnraumschutzgesetz besonders behütet. Das Problemhaus Karstadt ist von solchen Regeln allerdings nicht berührt, denn dort steht ja bereits etwas und Wohnungen sollten es – wenn überhaupt – erst einmal werden.

Auch die Innenstadt von Wilhelmshaven hat mit Leerstand
zu kämpfen. In der strukturschwachen Stadt an der Nordseeküste
hat das allerdings weniger mit Spekulation zu tun,
sondern eher mit der Zurückhaltung der Investoren. | Foto: Link

Richten wir also den Blick wieder auf die Innenstädte. Weil die Problemlagen dort sehr unterschiedlich sein können, warnt NST-Hauptgeschäftsführer Arning vor einer Leerstandsteuer, die genutzt werden könnte, um Eigentümer wie im Fall des Karstadt-Gebäudes dazu zu zwingen, etwas in das Haus zu investieren. Schließlich gebe es auch viele Eigentümer von Innenstadtimmobilien, die liebend gerne vermieten und das Haus mit Leben füllen würden – allein: es findet sich niemand. Diese Leidtragenden des Innenstadtsterbens dann noch weiter zu belasten, könne nicht das Anliegen von Politik und Gesellschaft sein, ist sich Arning sicher.

Nicht jeder Leerstand bedeutet Spekulation, denn jede Investition will gut überlegt sein. Wenn man viel Geld in die Hand nimmt, um die leere Hülle wieder zu füllen, muss sich das auch am Ende lohnen. Auch zusätzlicher Druck über das Baurecht will gut überlegt sein, warnt Arning. So könnte über die Verkehrssicherungspflicht oder bestimmte Baugebote Einfluss genommen werden. Doch diese Maßnahmen stünden immer unter dem Vorbehalt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Schnell könnte der Eigentümer also sagen, dass er damit Verluste macht – und schon verpufft auch dieses Instrument wieder.



Die rechtlichen Möglichkeiten scheinen also begrenzt – erst recht, wenn man die Marktwirtschaft hochhalten und allzu radikale Eingriffe des Staates in das Privateigentum nicht gutheißen möchte. Arning plädiert deshalb für ein kooperatives Vorgehen: Angelehnt an die Förderpolitik von „Perspektive Innenstadt“ könnten die Kommune, das Land oder der Bund Geld bereitstellen, um innenstädtische Leerstandsimmobilien gemeinsam mit einem Investor weiterzuentwickeln. Ein Kauf des Hauses dürfte derweil für kaum eine Stadt finanzierbar sein. Allerdings ist auch für eine solche Zusammenarbeit entscheidend, dass sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. In Hannovers Karstadt-Fall ist das bekanntlich nicht so: die Stadt will, der Eigentümer scheinbar nicht. Arning hält auf einer abstrakten Ebene trotzdem an dieser Idee fest – auch wenn er weiß, dass die staatliche Unterstützung von Multimillionären, um die es bei den Eigentümern solcher Immobilien ja häufig geht, gesellschaftlich schwer zu vermitteln sein dürfte.

Am Ende ist es bei solchen Problemimmobilien ein Pokerspiel: Wer zuerst blinzelt, hat verloren – und man möchte sich lieber nicht in die Karten gucken lassen und frühzeitig aufzeigen, wie weit man zu gehen bereit ist. Feststehen dürfte, dass sowohl Stadt als auch Eigentümer kein Interesse an einer „Detroitisierung“ der Innenstadt haben können: Wenn der faulige Zahn erst einmal die ganze Umgebung angesteckt hat, verliert schließlich auch die leerstehende Immobilie noch mehr an Wert.

Industrieruinen wie die ehemalige Packard-Autofabrik
haben die US-Metropole Detroit zum mahnenden
Beispiel für innerstädtischen Verfall gemacht. | Foto: GettyImages/Tudor ApMadoc
Dieser Artikel erschien am 11.9.2023 in Ausgabe #155.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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