15. Okt. 2025 · 
HintergrundBildung

Warum sich manche Eltern an der Schule ihrer Kinder einbringen – und andere wiederum nicht

Manche wollen mitgestalten und Vorbild für ihre Kinder sein. Andere wurden gefragt und fühlen sich nun verantwortlich. Eine neue Studie zeigt auf, was Elternvertreter motiviert.

Warum machen wir das eigentlich? Diese Frage stellte sich Torben Kuhlenkasper eines Tages nach der Sitzung des Schulelternrates. Schnell schloss sich die zweite Frage an: Und wieso machen es die anderen Eltern eigentlich nicht? Weil Kuhlenkasper nicht nur Elternvertreter an einem Gymnasium in Bad Essen (Kreis Osnabrück) ist, sondern auch Professor für Mathematik, Statistik und Ökonometrie an der Hochschule Pforzheim, hat er aus diesen ersten Fragen bald ein wissenschaftliches Projekt gemacht. Herausgekommen ist nun eine 50 Seiten starke Studie über die Motivlagen von Elternvertretern in Niedersachsen – und auch über die Bedenken jener, die sich lieber nicht ehrenamtlich an der Schule ihrer Kinder engagieren wollen. Fast 29 Prozent der 6500 Eltern, die an der quantitativen Online-Befragung teilgenommen haben, gaben an, sich aktuell als Klassenelternvertreter, in der Gesamtkonferenz oder im Schulvorstand zu engagieren. Auf die Frage nach dem Grund, gab der größte Teil von Ihnen an, die Schulgemeinschaft ihres Kindes mitgestalten zu wollen. Fast 42 Prozent der Elternvertreter wählten diese Antwort aus. Mit 36 beziehungsweise 35,4 Prozent liegen die zweit- und drittplatzierte Antwort nah beieinander. Mehr als ein Drittel der Eltern gab jeweils an, ein Vorbild für ihr Kind sein beziehungsweise das Schulleben ihres Kindes besser kennenlernen zu wollen.

Eltern von Gymnasialschülern fürchten besonders stark, dass ihr Engagement negative Folgen für ihre Kinder haben kann. | Foto: Drazen Zigic via Getty Images

Spannend ist, dass Prof. Kuhlenkasper bei den Motiven für elterliches Engagement Unterschiede zwischen Müttern und Vätern feststellen konnte. So gaben über 36 Prozent der Mütter an, mehr über das Schulleben der eigenen Kinder erfahren zu wollen – aber nur knapp 27 Prozent der engagierten Väter wählten diese Antwort aus. Mütter (fast 37 Prozent) wollten auch eher als Väter (knapp 31 Prozent) ein Vorbild sein. Signifikant mehr Väter als Mütter gaben aber allerdings an, direkten Einfluss auf schulische Entscheidungen zu wollen. Zudem haben sich auch mehr Väter bitten lassen, sich als Elternvertreter zu engagieren, als das bei Müttern der Fall gewesen ist. Prof. Kuhlenkasper hat die Ergebnisse seiner Befragung auch noch nach Schulformen unterteilt. Dadurch wird deutlich, dass Elternvertreter an Hauptschulen deutlich weniger Wert darauf legen, ihren Kindern damit ein Vorbild zu sein. Sehr viel häufiger wurden sie aktiv darum geben, diese Aufgabe zu übernehmen. Besonders gering ausgeprägt ist bei Elternvertretern von Hauptschülern ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Interessen anderer Eltern. Mit lediglich 4,3 Prozent liegt der Wert bei dieser Antwortoption deutlich unter denen von Eltern an anderen Schulformen.

Über 70 Prozent der Befragten gaben allerdings auch an, sich nicht an der Schule ihrer Kinder zu engagieren – was ziemlich genau den Erwartungen des Studienleiters entsprach. Mit deutlichem Abstand die gewichtigsten Gründe für das Nicht-Engagement waren berufliche (55,6 Prozent) oder familiäre (53,2 Prozent) Verpflichtungen. Prof. Kuhlenkasper hat diese Frage allerdings sowohl den engagierten als auch den nicht-engagierten Eltern gestellt. Während die Antworten bei der beruflichen Verpflichtung übereinstimmten, zeigt die Studie erste große Unterschiede bei den familiären Verpflichtungen. So gaben über 55 Prozent der nicht engagierten Eltern diesen Grund an – umgekehrt vermuteten aber nur knapp 46 Prozent der Elternvertreter dieses Argument bei den anderen. Die Elternvertreter vermuten derweil mehrheitlich, dass die anderen Eltern sich vor der Verantwortung scheuen, die ein solches Engagement mit sich bringt. Aber lediglich 17 Prozent der nicht engagierten Eltern führten dieses Argument für sich selber an. Bei der Unterscheidung nach Schulformen stechen wieder die Antworten der Eltern von Hauptschülern hervor. Das Gefühl, durch eigenes elterliches Engagement an Schulen ohnehin nichts ändern zu können, ist an Hauptschulen (25 Prozent) besonders stark ausgeprägt. An Gymnasien gaben allerdings auch fast ein Fünftel der Eltern diese Antwort. Bei Eltern von Gymnasialschülern ist laut Prof. Kuhlenkaspers Erhebung die Sorge besonders stark ausgeprägt, dass sich das eigene Engagement negativ auf das eigene Kind auswirken könnte. Eltern von Hauptschülern fühlen sich hingegen durch die Schule nicht ausreichend motiviert und ermutigt, sich einzubringen.

Danach gefragt, was sich die Eltern wünschen würden, gaben die meisten Eltern (37,5 Prozent) an, dass sie in Gesprächen mit den Lehrern gerne mehr über den Fortschritt ihres Kindes erfahren wollen. Diese Antwort wurde deutlich häufiger (40,7 zu 29,6 Prozent) von den Eltern ausgewählt, die nicht als Elternvertreter aktiv sind – also auch seltener die Schule von innen sehen. Dieser Gruppe fehlt auch stärker der Einblick in das, was von den Kindern erwartet wird. Diese Antwort wählten insgesamt 34 Prozent der Befragten aus, aber über 37 der nicht engagierten Eltern. Bei Elternvertretern sind derweil die Wünsche nach mehr Unterstützung für Eltern mit geringem Bildungsstand (25,8 zu 17,2 Prozent) und nach der direkten Aufforderung, sich an schulischen Veranstaltungen zu beteiligen (24,5 zu 14,6 Prozent) stärker ausgeprägt als bei der nicht engagierten Elternschaft. Die Elternvertreter wünschen sich zudem im Vergleich zu den anderen Eltern mehr Wertschätzung durch die Schule für ihr Engagement und sprechen sich gleichzeitig auch stärker für eine mehrsprachige Kommunikation aus. Prof. Kuhlenkasper führt im Fazit seiner Studie mehrere Aspekte auf, mit denen die Rahmenbedingungen für elterliches Engagement verbessert werden könnten. Er nennt flexiblere Formate, eine bessere Kommunikation, eine gezielte Ansprache sowie eine institutionelle Anerkennung.

  • Erschwerter Zugang: Bei dem Versuch, möglichst viele Eltern schulpflichtiger Kinder aus Niedersachsen für diese Studie zu gewinnen, habe er sich am Regionalen Landesamt für Schule und Bildung „fast die Zähne ausgebissen“, schilderte Prof. Kuhlenkasper bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Das RLSB Osnabrück habe stellvertretend für das gesamte Land untersagt, die Fragebögen über die Schulleitungen an die Eltern verteilen zu lassen. Begründet habe man diese Entscheidung mit dem Datenschutz: Die Eltern hätten ihre Mail-Adressen schließlich nicht explizit für diesen Zweck an die Schulleitungen gegeben. Trotz positiver Signale aus dem Kultusministerium habe das RLSB an seinem Entschluss festgehalten, was Prof. Kuhlenkasper letztlich zu einem anderen Ansatz geführt hat. Im sogenannten „Schneeballverfahren“ wurde die Befragung im Land verteilt. Unterstützt wurde er dabei nicht nur von der Arbeitsgemeinschaft der Elternräte in Niedersachsen (AdEiN), sondern auch vom Landeselternrat Niedersachsen.
Dieser Artikel erschien am 16.10.2025 in Ausgabe #182.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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