Warum sich Landwirte eine Förderung für Erbsen und Bohnen wünschen
Am Ende hängt der Ernteerfolg stets vom Wetter ab, auch in diesem Jahr. In den zurückliegenden Jahren fiel dieses viel zu trocken aus, und die Ernte in gewissen Bereich deshalb entsprechend schlecht. Nicht nur im Wald starben die Bäume, auch auf dem Feld ging es den Pflanzen nicht sonderlich gut. In der diesjährigen Erntebilanz hingegen zeigte sich ein anderes Bild, ein durchwachsenes.
Zwischen dem Herbst des vergangenen Jahres und dem März 2023 regnete es ganz ordentlich, der „Niederschlagssaldo“ war also ausreichend, um den Boden gut zu durchfeuchten, damit die Feldfrüchte genug Wasser abbekamen. Im April und Mai folgte dann aber eine Trockenphase. Die war zunächst gut, damit die Landwirte die Saat in die Erde bringen konnten. Allerdings dauerte das gemeinhin als „gut“ beschriebene Wetter etwas zu lange an, sodass insbesondere in den Regionen mit leichten sandigen Böden die Beregnungsmaschinen wieder frühzeitig angeworfen werden mussten.
Im Juni konnte dann die Wintergerste geerntet werden und zeigte als erste Feldfrucht an, was die diesjährige Erntebilanz wohl auszeichnet: eine große Spannweite bei den Erträgen. Der Sommer, der dann kam, machte wiederum mit viel Regen von sich reden, teilweise sogar mit ganz beträchtlichen Starkregenereignissen. Zu viel Regen zur falschen Zeit ist dann eben auch schlecht, denn so verzögerte sich die Ernte. Der Winterweizen kam mancherorts in die Schieflage und fing an auszutreiben oder wurde von Pilzen befallen. Mit jedem Tag, den sich die Ernte verzögerte, verlor das Getreide an Wert. Was nicht mehr fürs Brot taugt, kommt dann in den Futtertrog.
„Nach ersten Schätzungen fällt die Getreideernte mit gut 5,2 Millionen Tonnen um knapp zehn Prozent kleiner aus als im Vorjahr – extreme Trockenheit im Mai und Juni sowie starke Niederschläge im Juli und August haben ihre Spuren hinterlassen.“
Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer
Das Auf und Ab des niedersächsischen Wetters der vergangenen zwölf Monate verleitet die Landwirtschaftskammer nun zu einer gemischten Erntebilanz. Die verregnete Getreideernte habe zu Einbußen bei Menge und Güte geführt, Mais und Zuckerrübe haben hingegen von der Witterung profitieren können, erörterte Kammerpräsident Gerhard Schwetje am Mittwoch. „Nach ersten Schätzungen fällt die Getreideernte mit gut 5,2 Millionen Tonnen um knapp zehn Prozent kleiner aus als im Vorjahr – extreme Trockenheit im Mai und Juni sowie starke Niederschläge im Juli und August haben ihre Spuren hinterlassen.“
Ob das Getreide dann zu Brot verarbeitet werden kann oder nur zum Futtermittel taugt, hat sich noch nie so stark auf den Erlös ausgewirkt wie in diesem Jahr. Der Abstand von Futterweizen zu Brotweizen belaufe sich zurzeit auf 2,70 bis 3 Euro pro Dezitonne, früherer war die Hälfte üblich. „Wer im Vorjahr Lieferverträge für Brotgetreide geschlossen hat, kann nun womöglich die geforderte Qualität nicht liefern und muss zumindest mit Preisabschlägen rechnen“, erläuterte der Kammerpräsident. „Ist das Getreide zu feucht für die Lagerung, muss es zunächst getrocknet werden – diese Kosten schmälern den Erlös zusätzlich.“
Zu den Verlierern dieses Jahres zählt der Raps. War dieser im Vorjahr noch so erfolgreich, dass der Anbau um 17 Prozent ausgeweitet wurde, fiel die Ernte in diesem Jahr nun unterdurchschnittlich aus. Auch die Preise sind nach unten gegangen. Beim Grünland hat sich die Ernte in diesem Jahr selbst ausgeglichen. Fielen die ersten beiden Schnitte noch in die Schlechtwetterphase, konnte dieser Makel durch den dritten und vierten Schnitt wieder herausgeholt werden – so gibt es nun genug Futter für die Rinder.
Auch Mais und Zuckerrübe haben das Wetter optimal nutzen können, erläuterte Schwetje. Der Zuckerrübenpreis sei zudem „gut wie nie“ gewesen, während der Maispreis leicht nach unten gehe. Kartoffeln hingegen brachten nicht die gewünschte Ernte ein. Durch den Regen sei es zu Krautfäulnis gekommen, gegen die zumindest konventionelle Betriebe noch etwas haben ausrichten können. Allerdings sei die Krautfäule erst so spät gekommen, dass einige Sorten noch davor abgeerntet werden konnten. Die begrenzte Ernte sorgte in diesem Fall nun aber für einen höheren Preis, der die Ausfälle wohl kompensieren konnte.
Der Blick auf die diesjährige Erntebilanz mit der gemischten und von den Vorjahren deutlich abweichenden Verteilung von Gewinnern und Verlierern macht für die Landwirtschaftskammer eines mehr als deutlich: „Mehrere Standbeine zu haben, lohnt sich.“ Betriebe, die vielseitig sind im Anbau und nicht nur den Blick auf die Erlöse richten, kommen besser durch und können auch variierende Wetterlagen deutlich besser mit ihre Arbeit mit der Natur einbeziehen. Wenn in dem einen Jahr also der Raps gut läuft aber der Weizen nicht, kann das im anderen Jahr wieder ganz anders sein – und am besten ergeht es wohl demjenigen, der nicht nur auf eine einzige Feldfrucht setzt.
Seit Jahren richtet die Landwirtschaftskammer deshalb ihre Beratung darauf aus, vielfältige Fruchtfolgen zu fördern. Dabei ist fachliche Kenntnis wichtig, um genau die Kombination zu finden, die für einen bestimmten Standort gut passt. Manchmal gehe es dann auch darum, zu experimentieren, erklärte Schwetje – etwa mit Sonnenblumen, die seit 2022 im Trend liegen, oder mit Soja.
Andere Kombinationsmöglichkeiten, die der Kammerpräsident beispielhaft nannte, wären Winterweizen, Zuckerrüber und Winterraps gemeinsam mit Wintergerste, Körnermais sowie Erbsen und Bohnen. Kartoffeln und Zuckerrübe ginge gut zusammen mit Triticale, Roggen, Sojabohnen und Hülsenfrüchten. Der etwas zu stark angewachsene Maisanbau besonders im Westen des Landes ließe sich laut Schwetje gut mit Wintergerste und Leguminosen kombinieren und kompensieren.
Die Landwirtschaftskammer richtet nun einen Appell an die niedersächsische Landesregierung, dass diese den Kurs der Kammerberatung durch finanzielle Hilfen unterstützen solle. So hat der Kammervorstand in dieser Woche beschlossen, sich bei Landesagrarministerin Miriam Staudte (Grüne) dafür einsetzen zu wollen, aus der zweiten Säule der EU-Agrarförderung Mittel bereitzustellen, um durch ergänzende Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen-Zahlungen den Leguminosen-Anbau in Niedersachsen zu fördern.
Der Anbau von Erbsen und Ackerbohnen in Ergänzung zum bisherigen Angebot sei zweckmäßig, um das Risiko durch zunehmende Wetterschwankungen – von Starkregen bis Trockenperioden – besser zu streuen, erklärte Wolfgang Ehrecke, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer. Anlehnen möchte man diese Förderung an ein Modell, das etwa in Nordrhein-Westfalen praktiziert wird. Da die EU-Agrarförderung seit der neuen Förderperiode innerhalb des Nationalstaats zwischen Verbünden verschiedener Bundesländer unterscheidet, um eine zielgenauere Förderung zu ermöglichen, müsste das Förder-Konstrukt namens „Klara“ für Niedersachsen, Bremen und Hamburg nun allerdings aufgeschnürt und neu verhandelt werden.
Schwetje weiß um die Komplexität eines solchen Unterfangens, hofft aber auf eine Evaluation zur Halbzeit der Förderperiode, die von 2023 bis 2027 dauert. In den kommenden Tagen wird der Präsident der Landwirtschaftskammer diesen Vorschlag im Landesagrarministerium vorbringen. Er sagt: „Das wäre zumindest ein kleiner Baustein für mehr Stabilität für die Ackerbaubetriebe.“
Dieser Artikel erschien am 07.09.2023 in der Ausgabe #153.
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
Jetzt vorbestellen