Politik – das sind Worte, im Idealfall auch Taten und natürlich: Zahlen, wie Ende 2023 bei den Haushaltsbeschlüssen in Bund und Land zu erleben war. Hier manifestieren sich die politischen Ziele in der Zuweisung von Mitteln. Um sicherzustellen, dass diese Mittel unter den Geschlechtern gleich verteilt sind, gibt es das Instrument „Gender Budgeting“. Sowohl die Ampel-Koalition im Bund als auch Rot-Grün in Niedersachsen haben in ihren Koalitionsverträgen vereinbart, diesen Weg in einzelnen Bereichen zu erproben.

„Um das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit zu befördern, wollen wir mit einem Modellprojekt ‚Gender Budgeting‘ in geeigneten Bereichen des Landeshaushalts starten“, heißt es im niedersächsischen Koalitionsvertrag von SPD und Grünen aus dem November 2022. Passiert ist allerdings noch nichts, weder in Niedersachsen noch in Bund. Darauf haben der Landesfrauenrat und die Friedrich-Ebert-Stiftung in einer gemeinsamen Veranstaltung in Hannover unter dem Titel „Frauen zählen!“ aufmerksam gemacht. Nordrhein-Westfalen, Bremen und Sachsen-Anhalt dagegen hätten bereits eine „gleichstellungsorientierte Haushaltsführung“ eingeführt.
Wie schnell ein Ungleichgewicht entsteht, wenn man nicht aktiv gegensteuert, zeigte Regina Frey vom Gender-Institut für Gleichstellungsforschung (GIG) am Beispiel der Corona-Maßnahmen des Bundes. Das Kurzarbeitergeld bekamen in erster Linie Männer. Minijobberinnen dagegen gingen komplett leer aus. Dies allerdings ist ein Arbeitszeitmodell, das mehrheitlich von Frauen genutzt wird. Das GIG hat errechnet, dass 82 Prozent der Corona-Hilfen in männerdominierte Branchen geflossen sind. Ein anderes Beispiel, das Ungleichgewichte in öffentlichen Haushalten sehr deutlich werden lässt, ist der Sport. „Frauen und Männer treiben etwa gleich viel Sport“, erläuterte Frey. Während Frauen Gesundheitssport wie Yoga oder Zumba bevorzugen, konzentriert sich das Interesse der Männer auf Fußball. Im Auftrag des Berliner Bezirks Lichtenberg hat Regina Frey bereits 2010 errechnet, dass von der Sportförderung zu mehr als 60 Prozent Männer profitieren. Um die Sportaktivitäten von Frauen und Mädchen zu unterstützen, wurde hier das örtliche Stadion um einen Fitness-Parcours, einen Chillout-Bereich, Hockey- und Volleyballfelder erweitert.
In den Kommunen gebe es ein grundsätzliches Problem, erklärte die neue Vorsitzende des Landesfrauenrates, die Juristin Barbara Hartung: „Von den Pflichtaufgaben – wie zum Beispiel Straßenbau – profitieren vor allem Männer.“ Frauen, die den größten Anteil der Fürsorgearbeit leisten, werden dagegen stärker durch soziale Projekte und Ehrenamtsförderung unterstützt. Die allerdings fallen als freiwillige Aufgaben als erste dem Rotstift zum Opfer. Als positives Beispiel in Niedersachsen wurde Göttingen hervorgehoben: Die Stadt ist Modellregion für den Themenschwerpunkt „Politische Partizipation von Frauen“.

"Gender Budgeting" ist eine der Strategien, mit der die UN-Frauenrechtskonvention auf kommunaler Ebene umgesetzt werden soll. Dazu wurde jede Abteilung der Stadtverwaltung verpflichtet, eigene Ziele zu formulieren. Wie die Gleichstellungsbeauftragte Christine Müller berichtete, traten dabei überraschende Erkenntnisse zu Tage. So fiel im Schulamt erst dadurch auf: Von der Schulbegleitung profitieren bisher zu 90 Prozent Jungen. In der Stadtbibliothek zeigte sich das umgekehrte Bild: Hier lasen hauptsächlich Mädchen. Deswegen gibt es jetzt eine Aktion zur Leseförderung speziell für Jungen.