18. Aug. 2019 · Finanzen

Warum die Rettung der Nord/LB auf den letzten Metern zu scheitern droht

Die Botschaft, die Ende vergangener Woche offiziell verbreitet wurde, klang beruhigend. So sollte es auch sein. Die Eigentümer der Bank, neben den Ländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt künftig vor allem der Deutsche Sparkassen- und Giro-Verband (DSGV), hätten „einen wichtigen Streitpunkt ausgeräumt“, hieß es. Im Beisein des Bundesfinanzstaatssekretärs Jörg Kukies hätten beide Seiten einen Kompromiss geschmiedet. Von 2022 an soll die Nord/LB die Hälfte ihres Gewinns an die Träger abführen, die andere jedoch nicht, sie soll in der Bank bis zur Summe von 550 Millionen Euro verbleiben. Die Gewinnabführung soll auch erst dann geschehen, wenn die Kernkapitalquote der Nord/LB bei mindestens 14 Prozent liegt. Bisher sind es 6,8 Prozent. Die Länder, vor allem Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers, befürworteten im Vorfeld offenbar eine möglichst  frühe und umfangreiche Gewinnausschüttung. Die Sparkassen-Seite hingegen lehnte das ab, zunächst müsse die Nord/LB zu Kräften kommen, bevor sie etwas abwerfen könne. Sogar ein Veto-Recht in dieser Frage wollten die Sparkassen. Das Veto-Recht wurde zwar abgebügelt, aber die Länder kamen in den anderen Punkten den Sparkassen entgegen. Ist nun also alles im Lot? In Hannover gibt es zwei Lager, die diese Frage unterschiedlich beantworten. Aus dem Finanzministerium heißt es, die jüngste Entwicklung bleibe im Plan und überrasche nicht. Es sei doch selbstverständlich, dass auch Niedersachsen ein Interesse an einer Konsolidierung der Landesbank habe, man also nicht gleich Dividenden kassieren könne. Deshalb sei der gefundene Kompromiss verständlich und tragbar. Dagegen jedoch gibt es Stimmen auch aus dem Lager von Finanzexperten, die in der Verständigung zwischen Sparkassenlager und Ländern als Eigentümer der Nord/LB eine Gefahr für deren Rettung sehen. Alles hänge jetzt nämlich von dem Votum der EU-Kommission ab, die bisher noch im Verborgenen prüft, inwieweit ein Verfahren wegen untersagter Staatsbeihilfe gegen Deutschland eingeleitet werden soll. Der Kompromiss erschwere nun den Stand der Landesbank in dieser EU-Prüfung. Der Grund dafür ist im Leitgedanken der EU-Wettbewerbshüter zu finden. Zulässig ist eine Investition der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in die Landesbank aus dieser Sicht nur dann, wenn dies zu Bedingungen geschieht, die auch ein privater Investor eingehen würde. So sollen nach dem von Hilbers bisher vertretenen Plan die 1,5 Milliarden Euro, die Niedersachsen beiträgt, über eine landeseigene Beteiligungsgesellschaft als Kredit aufgenommen und mit einer hohen Rendite (also Dividendenzahlung) vergütet werden. Wenn nun aber die Rendite geringer ausfällt, könnten die EU-Prüfer zum Ergebnis kommen, das Geld sei eine unerlaubte Staatsbeihilfe. Das ist noch in einem anderen Fall möglich. Denkbar wäre nämlich auch, dass die gedämpfte Dividendenausschüttung für die neue Nord/LB dazu führt, dass Niedersachsens Finanzminister den Umweg über eine landeseigene Beteiligungsgesellschaft und eine Kreditaufnahme rein aus mathematischen Gründen gar nicht gehen kann. Er müsste dann – obwohl er das stets ausgeschlossen hatte – direkt Geld aus dem Landeshaushalt in die Nord/LB stecken. Das ist wegen des von 2020 an geltenden Neuverschuldungsverbots der Länder schwierig genug, obwohl die für die Änderung der Landesverfassung diskutierte Variante einer Schuldenbremse eine Ausnahme bei Unternehmensbeteiligungen vorsieht. Rein rechtlich wäre der Weg also im Landesrecht durchaus möglich. Nur könnte auch das für die EU-Wettbewerbshüter in Brüssel einen Anlass bieten, in dem Nord/LB-Rettungskonzept eine unerlaubte Staatsbeihilfe zu sehen. Ein direkter Landeszuschuss wäre beihilferechtlich noch problematischer.
Die Verständigung zwischen den künftigen Trägern der Nord/LB, die Dividendenausschüttung zu bremsen, erschwert eher das EU-Prüfverfahren.
Wie man es also dreht und wendet – die Verständigung zwischen den künftigen Trägern der Nord/LB, die Dividendenausschüttung zu bremsen, erschwert eher das EU-Prüfverfahren. Die Entscheidung dort war eigentlich für Ende Juni erwartet worden, nun zieht sie sich immer länger hin. Nun wird schon die Frage aufgeworfen, ob womöglich verschiedene Interessen bei den Akteuren eine Rolle für die jüngste Verschärfung der Lage spielen. Zugespitzt ausgedrückt: Es herrschen Zweifel, ob wirklich alle im Kreis der Sparkassen das neue Nord/LB-Modell befürworten und anstreben. Tatsache ist: Zu der Verständigung über die gedämpfte Ausschüttung hat die Bankenaufsicht Bafin die Eigentümer gedrängt. Sollte es womöglich in Kreisen des DSGV Kräfte geben, die – entgegen ihrer offiziellen Linie - auf ein Scheitern des neuen Nord/LB-Konzeptes setzen? In südlichen Bundesländern und bei anderen Landesbanken wird sicher nicht mit Freude gesehen, dass der Konkurrent Nord/LB im Norden nun aufgepäppelt werden soll – und das noch mit mehr als einer Milliarde Euro aus der Sparkassen-Finanzgruppe. Wenn am Ende Brüssel den Daumen senken sollte und die Nord/LB-Rettung misslingt, könnte das vielleicht für die gesamte deutsche Sparkassenfamilie weniger dramatische Folgen haben als bisher immer beschrieben wird. In diesem Fall wären die bisherigen Eigentümer gefordert, also das Land Niedersachsen, das Land Sachsen-Anhalt und die Sparkassenverbände aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Umstritten ist, welche Lasten im Fall der „Abwicklung“ der Nord/LB entstünden. Sicher geht es um die noch verbliebenen „faulen“ Schiffskredite, die die Bank einst in die Schieflage gebracht haben. Auch Pensionsverpflichtungen für ehemalige Mitarbeiter dürften nicht unerheblich sein. Die Braunschweiger Landessparkasse würde man dann wohl sicher aus der „Konkursmasse“ herausschneiden und verselbständigen. Dramatisch wäre wohl, dass in diesem Fall die Chance, möglichst viele Mitarbeiter vor Entlassungen zu bewahren, nicht eingehalten werden könnte. Die Hauptlast für diese Abwicklung läge mit Sicherheit bei den Niedersachsen. (kw)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #140.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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