Büros sterben nicht aus, es wird immer Menschen geben, die den Raum und den Austausch dort nutzen wollen.
Über Leonie Müller war vor einigen Jahren weltweit berichtet worden, weil sie ihr Leben als „digitale Nomadin“ in die Züge der Deutschen Bahn verlegt hatte. Sie zog aus ihrer Wohnung aus, kaufte sich eine Bahncard 100 und war ständig unterwegs. Müller beschrieb, wie sie sich im Zug die Haare wusch oder eine Pizza ans Bahngleis bestellte. Sie zeigte sich überzeugt, dass man flexible Arbeitsformen schaffen müssen, gab aber auch Entwarnung: „Büros sterben nicht aus, es wird immer Menschen geben, die den Raum und den Austausch dort nutzen wollen.“
Raum nicht mehr physisch sehen
Max Senges, Geschäftsführer von Wolfsburg 42, einer gemeinnützigen Programmierschule für alle, an der es keine Professoren gibt, sagte, man müsse den Raum nicht mehr physisch sehen, sondern als Denkraum, in dem man zusammenkomme. „Bei uns geht es um einen Raum zum Lernen, der 24 Stunden am Tag geöffnet ist.“ Man wollen den Studenten ein Gefühl der Selbstbestimmtheit vermitteln, das für diese Zeit prägend sei. Jeder könne heute sein eigenes Lebenskonzept haben. „Man kann eben auch in Brasilien am Strand sitzen und nur an einem Tag in der Woche programmieren“, erklärte Senges.Auch wir brauchen multiprofessionelle Teams, und wir müssen ortsunabhängiger zusammenarbeiten können.
Die Veränderungen betreffen auch die Verwaltung, berichtete Dennis Weilmann, Wirtschaftsdezernent der Stadt Wolfsburg. „Auch wir brauchen multiprofessionelle Teams, und wir müssen ortsunabhängiger zusammenarbeiten können.“ Die Corona-Krise habe in der digitalen Arbeit einen großen Schub gebracht. Mehr als die Hälfte der Stadtverwaltung könne inzwischen mobil arbeiten. „Jetzt ist es eine Selbstverständlichkeit, aber ohne Corona hätten wir das so nicht geschafft. Wir hätten viele, viele Schleifen drehen müssen“, sagte Weilmann. Auch für Unternehmen ist der Prozess der Digitalisierung und die Folgen für die Zusammenarbeit eine große Herausforderung.
Wir haben als Menschen als Arbeitnehmer gewonnen, die davon gehört hatten, was wir machen und wieder in ihre Heimat zurückwollten.
Olaf Weddermann, Prokurist der Reederei Norden-Frisia, erklärte auf der Messe, man sei zu Beginn mit der Brechstange vorgegangen und habe die Mitarbeiter „einfach mal machen lassen“. Die Reederei habe Fehler zugelassen und viele positive Erfahrungen gemacht. „Wir haben als Menschen als Arbeitnehmer gewonnen, die davon gehört hatten, was wir machen und wieder in ihre Heimat zurückwollten.“ Und Weddermann beschrieb auch überraschende Momente. Einmal habe ein Schiffsmechaniker vor ihm gestanden und gesagt: „Ihr baut eine Buchungsplattform, ich möchte gerne mitmachen.“ Der Mitarbeiter habe sich privat mit dem Programmieren beschäftigt. Als Geschäftsleitung habe man lernen müssen, loszulassen. „Wir müssen lernen, loszulassen und nur noch Sparringspartner sein.“
Angst vor Veränderung nehmen
Ein wichtiger Bestandteil der Techtide war, die Angst vor den Veränderungen zu nehmen. Das gilt auch für die Sorge vor der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Man müsse alles dafür tun, die Entwicklung künstlicher Intelligenz zu einem echten Wettbewerbsvorteil zu machen, die im Dienst unseres Wohlstands und unserer Lebensqualität steht, sagte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. Die nötigen Fortschritte, zum Beispiel bei Mobilität, Klimaschutz oder Steuerung der Energieversorgung, seien ohne künstliche Intelligenz nicht denkbar und machbar.