Warum der AfD-Parteitag wieder für Überraschungen gut wird
Manche halten den Termin für „so überflüssig wie einen Kropf“, andere sogar für einen „schweren taktischen Fehler“. Doch die Einladungen sind bereits verschickt, eine Absage ohne Gesichtsverlust ist damit kaum mehr möglich. Die niedersächsische AfD trifft sich auf Wunsch ihres Landesvorstandes am 4. und 5. Mai in Seevetal (Kreis Harburg) zu ihrem nächsten Landesparteitag.
Doch selten hat ein Termin im Vorfeld parteiintern so viel Unruhe ausgelöst wie dieser. Ein nach wie vor hoch emotionales und intern heftig umkämpftes Thema steht auf der Tagesordnung, die Aufarbeitung der Parteifinanzen aus der Zeit des Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel, also von 2013 bis 2017. Es wird, wie schon beim jüngsten Landesparteitag vergangenen Oktober in Oldenburg, mit einem Kräftemessen der Lager gerechnet. Die Niedersachsen-AfD mit ihren knapp 3000 Mitgliedern teilt sich in drei etwa gleich große Gruppen: die überzeugten Anhänger der Landesvorsitzenden Dana Guth aus dem Kreis Göttingen, die überzeugten Anhänger ihres Amtsvorgängers Armin-Paul Hampel aus dem Kreis Lüneburg und jene, die zwischen diesen beiden Extremen stehen. Dem Rechts-Links-Schema entzieht sich diese Einteilung weitgehend.
Müssen die Gegensätze im eigenen Landesverband jetzt sichtbar werden, wenige Wochen vor der Europawahl? Der Konvent, eine Art mittlere Ebene zwischen Parteitag und Vorstand, riet vor zwei Wochen zur Verschiebung des Parteitags. Doch der Vorstand bleibt hart, will die Sache unbedingt durchziehen. Dann bliebe noch der Weg, zu Beginn des Treffens die Tagesordnung zu ändern und die Finanzfrage abzusetzen. Ein entsprechender Antrag liegt bereits vor, doch ob er eine Mehrheit bekommen wird, bleibt derzeit fraglich.
So erscheint die AfD derzeit wieder einmal für alle Überraschungen gut zu sein – und damit wird die strategische Schwäche des Vorstandes um die seit April 2018 amtierende Vorsitzende Dana Guth einmal mehr offenkundig. In ihren Doppelfunktionen als Landes- und gleichzeitig Landtagsfraktionsvorsitzende steht Guth an der Spitze der AfD. Sie ist die einzige Frau in Führungsfunktionen der ansonsten männerdominierten Niedersachsen-AfD, parteiintern ist die 48-jährige ständig irgendwelchen Anfeindungen ausgesetzt. Trotzdem sitzt sie derzeit relativ sicher im Sattel.
Der Versuch von zehn Kreisverbänden, die eher dem Hampel-Lager zuzurechnen sind, eine vorgezogene Neuwahl des Landesvorstands durchzusetzen, scheiterte schon in der Frühphase an der Uneinigkeit der Aufständischen. In der AfD-Landtagsfraktion tun sich zwar immer wieder einzelne Abgeordnete hervor und dokumentieren damit Ehrgeiz, in jüngster Zeit wiederholt der frühere Richter Christopher Emden aus Osterholz. Aber die Mehrheit der Fraktion ist Guth loyal verbunden, Putschgerüchte kommen so gar nicht erst auf.
Unzufriedenheit über die Europawahl-Liste
Das bewahrt den Landesverband allerdings nicht vor ständigen und teilweise durchaus heftigen innerparteilichen Debatten. So gedeiht die Unzufriedenheit darüber, dass unter den ersten 30 Plätzen der AfD für die Europawahl kein einziger Niedersachse ist – obwohl der Landesverband bundesweit nicht zu den kleineren, sondern eher zu den größeren zählt. Der Guth-Vertraute Jens Krause, Geschäftsführer der Landtagsfraktion, hatte auf dem Parteitag für einen Platz kandidiert, war aber gescheitert.
Merkwürdig wirkt auch, dass Hampel, als außenpolitischer Sprecher der AfD in einer durchaus einflussreichen Funktion, stets und ständig mit seinem Getreuen Jens Kestner, ebenfalls MdB, Veranstaltungen anbietet unter dem Motto „Hampel & Kestner – für Sie unterwegs“. Der nächste Termin ist am Freitag in Leiferde bei Gifhorn. Das vermittelt den Eindruck, Hampel und seine Anhänger würden ihr eigenes Süppchen kochen. Dann gibt es immer wieder heftige Kämpfe in einigen Kreisverbänden – verknüpft mit erfolgreichen und erfolglosen Versuchen, die bisherige Führung zu stürzen, so jüngst im Weserbergland und auch im Kreis Harburg. Dass manchmal auch Akteure aus dem Umfeld von Guth an derartigen Aktionen beteiligt sind, trägt nicht gerade zur innerparteilichen Harmonie bei, sondern verschärft eher die Stimmung.
Soll noch schnell schmutzige Wäsche gewaschen werden?
Ein Gipfelpunkt war nun die Einladung zum Landesparteitag in die Burg Seevetal, ein gerade erst renoviertes, vor wenigen Monaten eröffnetes Veranstaltungszentrum. Viele argumentieren dagegen, dass die Parteiführung meine, kurz vor der Europawahl noch schmutzige Wäsche waschen und sich mit dem Hampel-Lager anlegen zu wollen.
Die Frage sei auch, ob der Bericht des unabhängigen Wirtschaftsführers zu den Parteifinanzen, der erörtert werden soll, überhaupt Hampel und dem früheren Vorstand vorher zur Einsicht- und Stellungnahme vorgelegt werde. Andere Einwände richten sich gegen den Ort, vor den Toren Hamburgs gelegen und nicht weit von Lüneburg entfernt – zwei Städten, in denen es eine rege Antifa-Szene gibt. Ob die Burg Seevetal überhaupt gut von Polizeikräften gegen mögliche gewalttätige Proteste geschützt werden kann? Wie ein Sprecher der Gemeinde auf Rundblick-Anfrage mitteilt, ist ein Vertrag zwischen Gemeinde und AfD-Landesverband bisher noch nicht geschlossen worden. Die Zeit wird allmählich knapp, und ohne Vertrag wird der Parteitag kaum stattfinden können. (kw)