
In der Corona-Zeit fallen weitere Verbote negativ auf
Die Überschrift des Antrags führt zur Motivation: „Keine NS-Propaganda auf unseren Straßen“, heißt es da, ergänzt mit der Aufforderung „Sittenwidrige Kfz-Kennzeichen verbieten!“ Das Ausrufungszeichen hinter „verbieten“ symbolisiert den starken, handlungsfähigen Staat. Interessant ist noch das Datum des Antrags, der 25. März 2020. Das war tatsächlich zu einem Zeitpunkt, der mitten in die Startphase des Corona-Krisenmanagements fällt. Manches spricht also dafür, dass hier die Strategen der beiden großen Fraktionen nicht gut genug aufgepasst haben. https://www.youtube.com/watch?v=kpZgKcuhuOE Denn natürlich wird jedes Verbot, das die Landesregierung verhängt, heute anders diskutiert als noch vor zwei Monaten. Damals, in der Vor-Corona-Welt, wäre das wohl gar nicht weiter aufgefallen, denn es gab nur wenige überraschende neue staatliche Verbote, der politische Betrieb war daran gewöhnt, lediglich in kleinen Details nachzusteuern und zu verbessern. Außerdem war es üblich, mit derartigen Anträgen die eigene moralische Stellung zu unterstreichen. Davon gab es Anträge zuhauf.Verliert die Verbotspolitik nun jedes Maß?
Aber heute, nach Beginn der Krise? Die Landesregierung hat Geschäfte geschlossen, Versammlungen untersagt und Treffen in privaten Wohnungen begrenzt, zeitweise sogar strikt verhindern wollen. Das sind tiefe Einschnitte in das Alltagsleben der Leute, längst ist – völlig zu Recht – ein Streit darüber entbrannt, wie berechtigt die vielen Verbote sind, die die Landesregierung per Verordnung verhängt hat.Lesen Sie auch: Corona-Krise: Wirtschaft geht düsteren Zeiten entgegen Ohne Maskenpflicht, mit Abstand: So startet die Schule am Montag An diese Regel müssen sich Friseure nach Öffnung halten
Und nun soll also nach dem Willen der Koalition noch das Verbot der Zahlen- und Buchstabenkombination auf Autokennzeichen dazukommen? Wer der niedersächsischen SPD/CDU-Koalition nicht von vornherein freundliche Absichten unterstellen wollte, könnte hier ein Beispiel für die Maßlosigkeit der Verbotspolitik erkennen. Er könnte so argumentieren: Wenn die Regierung jetzt also auch noch genau vorschreiben will, was auf Autokennzeichen stehen darf, dann zeigt das doch nur, wie grenzenlos die Verbotskultur der Regierung schon geworden ist. Daran würde er die Frage anschließen, was denn als nächstes komme – vielleicht ein Verbot der Hausnummern 18 und 88, sodass zwingend 17a oder 87a zu verwenden wären?
Sind die Einschnitte geeignet, erforderlich und angemessen?
Im Ernst: Gerade in der aktuellen Debatte über die Corona-Kontaktverbote wird ein juristischer Grundsatz wieder bewusst, der bei allen staatlichen Beschränkungen angewendet werden muss: Sind die Einschnitte geeignet, erforderlich und angemessen? Prüfen wir das mal bei dem Verbot bestimmter Autokennzeichen: Ist dieser Schritt geeignet, die Ausbreitung rechtsextremer oder neonazistischer Gruppen und Gesinnungen einzudämmen? Die Antwort ist nein. Denn mit dem geplanten Verbot lässt sich das Land genau auf die Argumentation bestimmter rechtsextremer Kreise ein, die Autokennzeichen aufwerten als politische Meinungsäußerung. Die klügeren unter denen, die mit dem Verbot getroffen werden sollen, dürften beispielsweise ausweichen auf RH (Rudolf Hess) oder 2004 (Geburtstag von Adolf Hitler) – und sie hätten vermutlich eine diebische Freude daran, mit solchen Aktionen ihre Gegner zu ärgern. Ist das Kennzeichenverbot erforderlich, gibt es nicht vielmehr bessere Mittel? Die Antwort ist wieder nein. Denn Präventionsarbeit, demokratische Bildungsangebote, Geschichtsunterricht und effektive, sachorientierte Parlamentsarbeit sind tausendmal besser, den Reiz neonazistischer Bewegungen auf junge, orientierungslose Menschen zu verringern – indem man einfach zeigt, wie gut die Demokratie funktioniert.