Darum geht es: Nach Informationen des Rundblicks hat die SPD in den aktuellen Gesprächen über eine neue Landesregierung eine Senkung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre gefordert. Ein Kommentar von Isabel Christian.

 

Man sagt, Jugendliche seien heute reifer als früher. In gewisser Hinsicht dürfte das auch stimmen, denn dank Internet und sozialer Medien sind junge Menschen weitaus besser über die Vorgänge in der Welt informiert als frühere Generationen, die ohne Smartphone aufgewachsen sind. Und die Gesellschaft traut den Jugendlichen längst so einiges zu. Sie dürfen ab 16 Jahren heiraten, Alkohol kaufen, Motorroller fahren und ein Segelflugzeug fliegen. Und immer mehr Jugendliche machen den Führerschein schon mit 17 Jahren. Für das meiste davon müssen die Eltern ihre Einwilligung geben, aber dennoch ist es ist allerhand Verantwortung, die Jugendlichen mittlerweile übertragen worden ist, für sich und für andere. Und die Jahre haben gezeigt, dass die meisten mit dieser Verantwortung umzugehen wissen. Daher stellt sich die Frage, warum man diesen Jugendlichen nicht auch das aktive Wahlrecht für Landtags- und Bundestagswahlen zugestehen sollte.

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Kritiker führen ins Feld, dass Jugendliche in diesem Alter noch anfällig für Manipulation sind, gern auch mal extreme Meinungen vertreten. Doch vor allem die Bundestagswahl hat gezeigt, dass volljährige Bürger vor Manipulation und Extremen eben auch nicht gefeit sind. Zwar wählten viele Altwähler die AfD eher aus Frust, während junge Menschen extremen Parteien vor allem aus Idealismus ihre Stimme geben. Das Ergebnis ist aber das gleiche. Die Demokratie muss nicht vor jugendlichen Verirrungen geschützt werden, denn die Stimmen der Jungwähler fallen ja längst kaum noch ins Gewicht. Nur 15 Prozent der Wahlberechtigten bei der Bundestagswahl waren jünger als 30 Jahre, der Durchschnittswähler dagegen ist 61 Jahre alt. Geht es also darum, extreme Parteien aus den Parlamenten fernzuhalten, sollte man eher bei denen ansetzen, die seit Jahren wählen dürfen.

Das Wählen ab 16 Jahren zu erlauben hat dagegen Vorteile für die Demokratie, wenn es mit aktiver Begleitung einhergeht. Jugendliche sind in diesem Alter sehr leicht überhaupt für Politik zu begeistern. In vielen Schulen gibt es fingierte Wahlen, bei denen Schüler ihre Stimme für eine reale Partei abgeben dürfen. Teil dessen ist jedoch, dass sie sich vorher mit den Parteiprogrammen und ihren eigenen Ansichten auseinandersetzen sollen. Diese Aktionen sind nicht nur deshalb wichtig, weil sie den Schülern die Bedeutung des Wählens vermitteln, sondern ihnen auch beibringen, dass viel mehr zum Wählen dazugehört als das reine Kreuzchen-machen. Das kann sie dazu motivieren, auch in den Folgejahren an die Wahlurnen zu gehen und sich sogar politisch zu engagieren. Zudem werden auf diese Weise auch Jugendliche erreicht, die sonst wahrscheinlich auch mit 18 Jahren den Wahllokalen fernbleiben würden. Die echte Teilnahme an der Wahl für 16-Jährige wäre daher nur dann konsequent, wenn die intensive Auseinandersetzung mit dem Wählen zum Pflichtstoff in allen Schulen würde.

Das Wahlrecht für 16- und 17-Jährige wäre zudem eine Geste der Wertschätzung: „Wir in der Politik wollen eure Meinung hören“. Doch die Politik muss ihrerseits auch zuhören. Aus nachvollziehbaren Gründen neigen die Parteien dazu, vor allem jene zu umwerben, die die stärkste Wählergruppe bilden. Dürften 16-Jährige wählen, so kämen in Niedersachsen nur maximal rund 200.000 junge Menschen mehr an die Wahlurnen. Eine echte Verstärkung für die Gruppe der Jungwähler wären sie also nicht. Es ist aber sinnlos, mehr Menschen wählen zu lassen, wenn deren Belange gar kein Gehör finden. Einigen sich die Regierungsparteien in Niedersachsen also auf das Wahlalter 16, so müssten sie sich gleichzeitig auch selbst verpflichten, die Interessen junger Menschen stärker als bisher in ihre politische Agenda einfließen zu lassen. Das wäre doch ein wunderschöner Beitrag zur Förderung der Demokratie.

 

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