Mit dem Produktionsstopp für das T-Roc Cabriolet endet in Osnabrück 2026 die Ära der Cabrios. Ein schlechtes Omen für den Standort? | Foto: Volkswagen AG

Wenn über Werksschließungen bei VW spekuliert wird, fällt immer wieder der Name Osnabrück. Der kleinste niedersächsische Standort, der nach der Insolvenz des Cabrio-Herstellers Karmann 2009 übernommen wurde, gilt als das schwächste Glied der Kette und steht aus nachvollziehbaren Gründen weit oben auf der roten Liste: Die insgesamt 2300 VW-Mitarbeiter decken zwar die gesamte automobile Wertschöpfungskette ab, doch in der Elektrostrategie des Wolfsburger Konzerns taucht Osnabrück bislang überhaupt nicht auf. Erschwerend kommt hinzu, dass die Fertigung im Stadtteil Fledder auf Cabrios spezialisiert ist, die nur noch ein Nischenprodukt darstellen. Von den 2,84 Millionen Autos, die 2023 in Deutschland neu zugelassen wurden, hatten gerade mal 1,8 Prozent ein offenes Verdeck. VW hat auf diesen Trend bereits reagiert und lässt in Osnabrück mit dem T-Roc Cabriolet sein letztes Cabrio-Modell produzieren – allerdings auch nur bis 2026. Danach scheint das Ende der Faltdach-Ära bei Volkswagen, die 1949 fulminant mit dem Käfer-Cabrio begann, besiegelt zu sein. Ein Nachfolgemodell für den offenen T-Roc ist nicht geplant.

Neben dem T-Roc Cabrio laufen in Osnabrück auch der Porsche Cayman und der Porsche Boxster vom Band. Es handelt sich jedoch nur um eine „Überlauffertigung“, die der Sportwagenhersteller mit der hohen Nachfrage nach seinen Modellen begründet. Außerdem werden in der Hasestadt immer mal wieder Fahrzeugserien mit geringer Auflage für verschiedene VW-Konzernmarken gefertigt. „Es gibt keinen Standort, an dem die Mannschaft so flexibel ist wie in Osnabrück“, sagte der hiesige IG-Metall-Chef Stephan Soldanski jüngst im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ob der Produktionsstandort allein mit Klein- und Mittelserien langfristig wettbewerbsfähig ist, darf bezweifelt werden. Im Jahr 2023 wurden in Osnabrück insgesamt 28.000 Volkswagen und Porsche hergestellt, in Emden waren es 180.000 Fahrzeuge und im Stammwerk in Wolfsburg sogar 490.000 Autos.

Dass es für den VW-Standort Osnabrück eng werden könnte, spürt auch die Politik vor Ort. Auf Initiative von Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) verabschiedete der Rat der Stadt nur einen Tag nach dem Bekanntwerden der VW-Sparpläne eine Resolution zur Zukunft des Automobilstandortes Osnabrück. „Osnabrück steht als Automobilstadt nicht nur für die Vergangenheit des Autobaus, sondern vor allem auch für seine Zukunft: Unsere Stadt ist zugleich die Start-up-Hauptstadt und – mit dem Coppenrath Innovation Centre – auch die KI-Hauptstadt Niedersachsens“, heißt es da. Die Resolution kann man als freundliche Erinnerung an die Konzernspitze verstehen, dass Osnabrück nicht nur ein reiner Produktionsstandort ist. Laut VW-Angaben verfügen hier „rund 500 hochqualifizierte Mitarbeiter über die Kompetenz, Fahrzeuge vom ersten Konzept über die Simulation und Gesamtfahrzeugabsicherung bis hin zur Serienreife entstehen zu lassen“. Das Fazit ist demnach: Ein Kahlschlag am VW-Standort in der Hasestadt könnte dem Konzern zwar Kosten sparen, aber auch zu einem enormen Know-how-Verlust führen.

Halbiert VW seine Batterieproduktion in Salzgitter?

Salzgitter unter Druck: Im Juli 2022 knallten in Salzgitter noch die Korken. Zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Stephan Weil feierte Volkswagen am Standort den Bau seiner neuen Batteriezellfabrik, in der ab 2025 jährlich etwa 25 Millionen Batteriezellen hergestellt werden sollen. Bei der Betriebsratssitzung am vergangenen Donnerstag zeigte sich nun ein anderes Bild: Die „Salzgitter-Zeitung“ berichtete von einer Belegschaft in Aufruhr, die sich gegen die mögliche Halbierung der zugesagten Produktionskapazität in der Gigafabrik von VW-Batterietochter Powerco wehrt. „Dies stellt eine deutliche Kampfansage an die Belegschaft des Werkes dar und bricht mit Vereinbarungen“, zitiert die Zeitung den Betriebsratsvorsitzenden Björn Harmening. „In Salzgitter soll die Serienproduktion wie geplant 2025 anlaufen. Der weitere Ausbau der Produktionskapazitäten wird flexibel und bedarfsabhängig vorangetrieben“, stellte das Unternehmen auf Zeitungsanfrage später klar. Powerco wolle an seinen drei Standorten in Europa und Nordamerika zunächst auf eine „optimale Werksbelegung“ achten. Angesichts der schlechten Verkaufszahlen der VW-Elektrofahrzeuge wohnt dieser Ansage allerdings kaum eine beruhigende Wirkung inne.

Der VW-Standort Salzgitter befindet sich derzeit mitten in der Transformation vom „Leitwerk Motor“ zum „Leitwerk Zelle“, was sich der Konzern etwa zwei Milliarden Euro kosten lässt. 2023 wurden hier allein 806.000 Verbrennungsmotoren für den Konzern gefertigt, aber auch Komponenten für die Elektrofahrzeuge. Kernstück des Umbaus ist die Gigafabrik für die neue VW-Batterieeinheitszelle, deren 2500 Personen starke Belegschaft sich vornehmlich aus den Rängen der Motorenfertigungsmitarbeiter rekrutieren soll. Ob das jedoch ausreichen wird, um allen derzeit 7500 Mitarbeitern am Standort eine Beschäftigungsperspektive zu geben, ist unklar. Außerdem wäre es kein überraschendes Szenario, wenn die Konzernspitze gerade im Motoren- und Motorenkomponentenwerk nach weiteren Einsparmöglichkeiten sucht.


Für die übrigen VW-Standorte in Niedersachsen ist die Gefahr für weitere Einsparmaßnahmen nicht ganz so groß. Hier eine Übersicht:

  • Wolfsburg: Mit 60.500 Mitarbeitern hat das Stammwerk in Wolfsburg zwar das größte Potenzial, wenn es um Stellenabbau geht. Allerdings werden in der weltgrößten Automobilfabrik unter anderem auch einige der beliebtesten VW-Modelle gefertigt: der Golf, der Touran und der Tiguan. Zudem ist der Ausbau zum Mehr-Plattformenwerk für Verbrenner, Elektro und autonomes Fahren bereits beschlossene Sache. Dass der VW-Vorstand ausgerechnet im Herz des Konzerns massiv den Rotstift ansetzen wird, gilt auch angesichts des mächtigen Betriebsrats als unwahrscheinlich.
  • Braunschweig: „Braunschweig gehört zu den Vorreitern der Transformation hin zur E-Mobilität“, sagte Konzerntechnikvorstand Thomas Schmall-von Westerholt bei der Betriebsversammlung im Februar 2023 und kündigte an: „Wir wollen den Standort zum konzernweiten Know-how-Zentrum für Batteriesysteme weiterentwickeln.“ Dass sich das Hochlaufen der Elektromobilität schlechter entwickelt, als man damals prognostiziert hat, dürfte an diesen Plänen nichts wesentlich geändert haben. In der Politik schrillen trotzdem die Alarmglocken. „Volkswagen ist der wichtigste Arbeitgeber in Braunschweig und der Region, zahlreiche Arbeitsplätze in Zulieferunternehmen und bei Dienstleistern in ganz Niedersachsen hängen von der Unternehmensentwicklung ab“, kommentierte Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) die VW-Sparpläne. Um die Folgen für die in Braunschweig ansässigen Unternehmenseinheiten und Arbeitsplätze einschätzen zu können, werde man den Kontakt mit den VW-Verantwortlichen suchen.
  • Emden: Kürzlich erst hat der Volkswagen-Konzern etwa 1,2 Milliarden Euro in das VW-Werk Emden investiert, um den Standort vollkommen auf Elektromobilität umzustellen. Mit gerade mal 180.000 produzierten Fahrzeugen 2023 ist die Fabrik zwar nur zu drei Vierteln ausgelastet, doch schon für 2025 hat der Konzern eine deutliche Produktionssteigerung angekündigt. Ein Kahlschlag in Emden ist auch deswegen unwahrscheinlich, weil die Elektroautos wie der ID.4 und der ID.7 von hier aus direkt in alle Welt exportiert werden können. Der Emder Hafen ist der drittgrößte Automobilumschlaghafen in Europa, im vergangenen Jahr wurden hier 1,3 Millionen Fahrzeuge verschifft.
Sascha Dudzik, Stavros Christidis, Belit Onay und Helmut Krimp wollen gemeinsam für den Automobilstandort Hannover kämpfen. | Foto: Link
  • Hannover: Bei den 14.200 Beschäftigten von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) in Hannover sind die Sorgen groß. Am vergangenen Donnerstag suchten die Betriebsräte von VWN, Continental und der hannoversche IG-Metall-Bevollmächtige Sascha Dudzik bei einem Krisengipfel mit Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) den Schulterschluss zur Politik. „Wir brauchen Förderung und Unterstützung bei der Elektromobilität“, betonte VWN-Betriebsratschef Stavros Christidis. Das Werk in Hannover-Stöcken fährt aufgrund der geringen Auslastung derzeit nur ein Zwei-Schichten-System. „Das hat zur Folge, dass sich die Fixkosten pro Fahrzeug erhöhen. Es ist keine gute Idee, die deutschen Standorte nicht voll auszulasten“, so Christidis. Um den Standort langfristig wettbewerbsfähig zu halten, müssen jährlich eigentlich 240.000 Fahrzeuge gefertigt werden. Eine solche Auslastung habe der Vorstand für 2025 zwar zugesagt, könne dieses Versprechen wohl aber nicht einhalten. Bitter ist vor allem, dass die Produktion des VW T6.1 eingestellt und der Bulli-Nachfolger demnächst im türkischen Ford-Werk produziert wird. In der Landeshauptstadt laufen dann nur noch der Multivan und der Elektro-Bulli ID.Buzz vom Band. „80 Prozent unserer Produktion sind elektrisch“, sagte der VWN-Betriebsratschef. Sollte es zu einem Stellenabbau oder zu einer Produktionsverlagerung im Werk kommen, würden das auch die Zulieferbetriebe zu spüren bekommen. „Wenn VW hustet, kriegen wir gleich die Grippe“, sagte Betriebsrat Helmut Krimp vom benachbarten Continental-Werk, in dem 8000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Nachfrage nach Reifen und Rädern sei bereits zurückgegangen, und wenn auch die Bestellungen weiterer Komponenten einbrechen, sieht er schwarz. „Wenn uns diese Marge wegfällt, ist das betriebsgefährdend“, warnt Krimp.