Weniger Nachwuchs, älter werdendes Personal und die Digitalisierung der Arbeitsstrukturen: Besonders in der Industrie und der Pflege sind die Anzeichen des demografischen Wandels schon deutlich zu spüren. So ist es nicht überraschend, dass die meisten der 22 in diesem Jahr von der Demografieagentur und dem Wirtschaftsministerium ausgezeichneten Unternehmen aus diesen Branchen stammen.

Seit drei Jahren ehren Land und Agentur mit dem Zertifikat „Demografiefest. Sozialpartnerschaftlicher Betrieb“ Unternehmen, die Ideen zur Verbesserung des Arbeitsumfelds und der Weiterbildung entwickeln und erproben. Und das Zertifikat wird es auch in den kommenden Jahren geben, wie Demografieagentur-Geschäftsführer Lutz Stratmann im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick sagte. „Wir haben uns mit der Landesregierung darauf verständigt, dass das Projekt weitergeführt und sogar noch etwas ausgebaut wird.“ Vor allem das Digitale soll künftig eine stärkere Rolle spielen.

„Es ist in Deutschland einmalig, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen gemeinsam dem demografischen Wandel gemeinsam entgegentreten“, sagt Lutz Stratmann – Foto: MWK Niedersachsen

Momentan achtet das Kuratorium noch hauptsächlich auf andere Faktoren in den Projekten der Bewerber. Schwerpunkte sind Gesundheitsmanagement, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Aus- und Weiterbildung. Die Digitalisierung der Arbeitswelt spielt in diesen Aspekten zwar eine Rolle, aber nur eine untergeordnete. „Das ,Arbeiten 4.0‘, also der Umgang mit der grundlegenden Veränderung der Arbeitsstruktur durch die Digitalisierung, wollen wir noch mehr hervorheben“, sagt Stratmann. Das Zertifikat ist eine Idee von NiedersachsenMetall und dem Landesverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds. „Es ist bisher in Deutschland einmalig, dass sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen zusammengetan haben, um dem demografischen Wandel gemeinsam entgegenzutreten“, lobt Stratmann.

Auch Wirtschaftsminister Olaf Lies hebt in seiner Ansprache die besondere Konstellation hervor. „Das Projekt macht deutlich, wie viele Lösungen eine Sozialpartnerschaft hervorbringen kann.“ Eigentlich könnte alles schön sein, sagt Lies. Die Auftragsbücher seien voll, die Arbeitslosenzahlen niedrig. „Aber gerade in der Politik neigen wir dazu, nackte Zahlen als Erfolg darzustellen, ohne sie zu hinterfragen.“ Denn es gibt eine Kehrseite: Die Zahlen sagen nichts darüber aus, wie gearbeitet wird. „Viele Niedersachsen müssen aufstocken.“ Dazu komme ein Auseinanderdriften von Angebot und Nachfrage. Rund 70.000 offenen Stellen stehe eine ähnlich große Zahl Arbeitssuchender gegenüber. Doch diese passten oft nicht auf die Stellen. „Hier besteht Handlungsbedarf“, sagt Lies.

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Um eine solche Entwicklung für sich zu verhindern, hat der Flughafen Hannover ein besonderes Schulungsprogramm aufgelegt. Denn das Unternehmen stellt seine Fahrzeugflotte auf Elektroautos um. „Bei den Kraftfahrzeugmechanikern ist das Thema E-Mobilität noch immer nicht Teil der Ausbildung“, sagt Betriebsratsvertreter Michael Koch. Daher würden die hauseigenen Mechaniker schon seit Jahren im Umgang mit Elektrofahrzeugen weitergebildet. Allerdings will das Unternehmen dafür neue Wege der Wissensvermittlung gehen. „Einem 50-Jährigen fällt es schwer, Neues in einer Schulatmosphäre zu lernen“, sagt Personalleiterin Sandra Ritter. Hier soll es künftig aktivere Angebote geben.

Für MAN Salzgitter nahmen Standortleiter Thomas Rennemann und die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Elke Behmer-Geisler die Auszeichnung entgegen. Das Unternehmen wurde für seinen Umgang mit den Mitarbeitern in turbulenten Zeiten gewürdigt. „Wir haben im vergangenen Jahr 800 Mitarbeiter entlassen und in anderen Funktionen wieder eingestellt“, sagt Rennemann. Hintergrund sei die Umstellung vom Fabrikanten für Lastwagen und Busse auf einen reinen Komponentenhersteller. „Dadurch fielen Jobprofile weg und neue wurden geschaffen. Aber es musste niemand um seinen Arbeitsplatz fürchten, wir glauben an den Standort Salzgitter.“ Behmer-Geisler verrät, wie man die Mitarbeiter in solchen Zeiten trotzdem auf seiner Seite halten kann: „Durch Information, Ehrlichkeit und Aufzeigen der Zukunftsperspektiven.“ Das sei zwar mühsam, doch nur so gewänne man das Vertrauen der Belegschaft. (isc)