Von wegen „Pferdeland“: Das Celler Landgestüt hat eine Auffrischung nötig
Im Wappen wird der ganze Stolz Niedersachsens deutlich – das Land ist in erster Linie auch ein Pferdeland. Das historische Zentrum dafür – das Celler Landgestüt – allerdings steht seit geraumer Zeit in der Kritik, denn wirtschaftlich war der Betrieb in den vergangenen Jahren nicht mehr. Das soll sich nun ändern. Wie Landwirtschafts-Staatssekretär Rainer Beckedorf gestern im Haushaltsausschuss des Landtags erläuterte, gehe man jetzt zielstrebig an die Modernisierung der altehrwürdigen Institution. Dafür soll endlich auch betriebswirtschaftlicher Sachverstand in der Führung verstärkt werden. Den Landesrechnungshof allerdings, der mit seiner Kritik vor vier Jahren die Probleme erstmals öffentlich gemacht hatte, stellt das neue Konzept nur begrenzt zufrieden – denn zunächst einmal soll der Landeszuschuss noch steigen.
Das Landgestüt blickt auf eine lange Tradition zurück. Diese Institution zur Pferdezucht wurde 1735 vom damaligen hannoverschen Kurfürsten und englischen König Georg II. geschaffen – zum Ausgleich dafür, dass die Residenz des Herrschers von Celle nach Hannover wechselte. Der weltberühmte „Hannoveraner“ als Pferderasse verdankt seine Verbreitung dem Umstand, dass in Celle über Jahrhunderte erfolgreich und konsequent die Zucht betrieben wurde. Die Tiere wurden anfangs in der Kavallerie benötigt, später dann verstärkt in der Landwirtschaft. Derzeit sind etwa 80 Mitarbeiter im Landgestüt beschäftigt, die große Mehrheit davon sind Beamte. 2012 hatte man noch 120 Hengste, danach ging die Zahl herunter. Als der Rechnungshof prüfte, hatte sich der Zuschussbedarf der Einrichtung von 108.000 Euro (2006) auf 2,3 Millionen Euro erhöht. Mehrere Mängel stellten die Prüfer fest – mehr als die Hälfte des vom Gestüt angebotenen Samens stammte nicht von eigenen Hengsten, sondern von Tieren der Vertragspartner, die dann beim Verkauf auch einen Teil der Einnahmen beanspruchten. Die Deckstationen waren nicht ausgelastet, da die künstliche Besamung der Stuten immer öfter auf den Höfen der Bauern geschieht. Im großen Umfang habe das Gestüt Pferde verkauft, ohne aber darauf zu achten, dass die Einnahmen möglichst hoch ausfielen.
Wie Beckedorf gestern nun im Ausschuss erläuterte, wolle die Landesregierung „unbedingt dieses traditionsreiche Gestüt erhalten“. Christine Gade, Haushaltsreferatsleiterin des Agrarministeriums, nennt mehrere Details: Ein betriebswirtschaftlicher Leiter wird engagiert, noch 2018 wird die „Kostenleistungsrechnung“ eingeführt, damit mehr Kostenbewusstsein in die Verwaltung Einzug hält. Von 2020 an soll das Landgestüt dann auch mit einem eigenen Budget wirtschaften, so wie es für andere Landesbetriebe längst verbindlich ist. Gade meint, immerhin habe man die Ausgaben in den vergangenen zehn Jahren nicht erhöht – das sei „schon eine Leistung“. Die Einnahmen hingegen stagnieren. Anfangs habe man versucht, mit weniger eigenen Hengsten des Gestüts auszukommen – das Resultat sei ernüchternd gewesen, die Einnahmen aus Samenverkäufen schrumpften daraufhin noch stärker. Nun werde versucht, mit vier neuen jungen Hengsten auf insgesamt 80 Tiere zu kommen. „Die Überlegung ist, dass wir die Ausgaben geringfügig erhöhen und damit höhere Einnahmen erwirtschaften“, berichtete Gade.
Hans-Christian Vollmer vom Landesrechnungshof reagierte auf diese Darstellung skeptisch. Als seine Behörde vor vier Jahren das Thema aufgeworfen habe, lag der Jahres-Zuschussbedarf des Landes bei 2,3 Millionen Euro. Mit dem neuen Konzept des Agrarministeriums werde dann im nächsten Jahr eine Zuwendung von 4,1 Millionen Euro nötig. „Ich sehe das kritisch, wenn als Konsequenz aus unseren Hinweisen der Landeszuschuss einfach verdoppelt wird“, sagt der Rechnungshof-Senator. Dem Landgestüt sei zu empfehlen, lieber „Schritt für Schritt“ vorzugehen und in der ersten Phase mehr Transparenz in die eigene Haushaltsführung zu bekommen. 2014 hatte die Prüfbehörde noch beanstandet, dass dort „wesentliche Daten über die Kostenstruktur“ gar nicht vorhanden seien und ein Controlling überhaupt nicht funktionierte. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebes habe sich damals gar nicht beurteilen lassen, da die Entscheidungen der Geschäftsführung „nicht ausreichend dokumentiert“ worden waren. Die Einwände der Prüfer, die durchaus drastisch ausfielen, wurden seinerzeit – wie auch heute – vom Agrarministerium bestätigt. Diese Hinweise seien „in jeder Weise berechtigt“, erklärte die Haushälterin des Ministeriums gestern im Haushaltsausschuss. (kw)