27. März 2023 · 
Justiz

Verzwickte Konkurrentenklagen: Die Justiz muss wichtige Personalien vertagen

Das höchste Verwaltungsgericht in Niedersachsen, eines der größten Amtsgerichte im Land und zwei der vier Abteilungen im Justizministerium haben eine Gemeinsamkeit: In allen Fällen sind die Positionen der Leiter (oder Präsidenten) schon seit einiger Zeit unbesetzt. Justizministerin Kathrin Wahlmann und ihr Staatssekretär Thomas Smollich haben einige schwierige Fragen zu klären.

Justizministerin Kathrin Wahlmann (Hier in der JVA Uelzen) hat einige schwierige Fragen zu klären. | Foto: Christian Wilhelm Link

Mehrere davon sind sozusagen eine „Erbschaft“, denn schon die SPD/CDU-Vorgängerregierung unter Justizministerin Barbara Havliza (CDU) hatte keine Lösung präsentieren können. So geht viel Zeit ins Land – aber nach Ostern, so heißt es aus gut unterrichteten Kreisen, soll sich der Nebel lichten.

Wir stellen die Baustellen nacheinander vor:

Leiter der Zentralabteilung: Die Abteilung 1 (Personal, Haushalt, Organisation) gilt als „politisch“, hat eine große Nähe zur Ministerin. Der frühere Leiter Thomas Matusche gilt als CDU-nah, er wechselte vergangenes Jahr auf die freigewordene Stelle der Abteilung 2 (Recht). Nun ist offenbar vorgesehen, dass der Direktor des Amtsgerichts Bersenbrück, Oliver Sporré, neuer Abteilungsleiter wird. Doch es gibt mindestens eine Mitbewerberin, dabei soll es sich um die Osnabrücker Amtsgerichtspräsidentin Christiane Hölscher handeln. Entscheidend für die Personalauswahl sind am Ende die Beurteilung und das höhere Statusamt. Da Hölscher ein höheres Statusamt hat, könnte Sporré nur aufsteigen, wenn Hölscher ihre Bewerbung zurückziehen dürfte – etwa, wenn ihr ein anderes Amt angeboten wird. Dies macht die Entscheidung schwierig.



Leiter der Strafvollzugsabteilung: Schon zu Havlizas Amtszeit wurde nach einer neuen Leiterin der Strafvollzugsabteilung gesucht. Seit Monaten bereits leitet die Vize-Leiterin Christine Meyer die Geschäfte. Sie hatte sich auch für die Leitung beworben und war noch unter Havlizas Führung ausgewählt worden. Doch die Leiterin der Referatsgruppe Prävention, Kirsten Böök, gab ebenfalls eine Bewerbung ab. Böök strengte nach Rundblick-Informationen eine Konkurrentenklage gegen die Berufung von Meyer an – und nach mehreren Monaten fielen die Würfel zu ihren Gunsten. Das Verwaltungsgericht Hannover entschied, die Beurteilung für Meyer (von der früheren Spitze des Ministeriums erstellt) sei rechtswidrig. Offenbar gab es zwischen der Punktbewertung und den dazu passenden Erläuterungen auffällige Abweichungen. Im Ergebnis waren so die Beurteilungen von Meyer und Böök gleichrangig ausgefallen, doch das Gericht schlug sich dann wegen angeblicher Fehler in Meyers Beurteilung auf die Seite von Böök. Nun haben Wahlmann und Smollich mehrere Möglichkeiten: Sie können Böök die Abteilungsleitung übertragen, sie können zu beiden Bewerbern neue Beurteilungen anfordern oder sie können die Stellenausschreibung ganz von vorn starten. 

Amtsgericht Hannover: Seit im Februar 2022 Götz Wettich zum Präsidenten des Landgerichts Lüneburg ernannt wurde, ist die Leitung des Amtsgerichts Hannover vakant. Beworben hat sich unter anderem der bisherige Leiter der Zentralabteilung im Kultusministerium, Sebastian Böhrs. Er war zuvor Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion gewesen. Der Präsidialausschuss, ein Gremium der Richter-Mitwirkung, votierte aber gegen Böhrs an der Amtsgerichtsspitze – denn er habe selbst nur ein Jahr lang als Richter gearbeitet, sei damit nicht optimal vorbereitet für die Leitung eines großen Gerichts mit mehr als 100 Richtern. Die Landesregierung könnte jetzt eine Einigungsstelle anrufen – und sich am Ende über deren Votum sogar hinwegsetzen. Die Alternative wäre, Böhrs zu einer beruflichen Alternative zu überreden und jemand anderes für die Leitung des Amtsgerichts zu empfehlen. Könnte man an Hölscher denken? Was Böhrs angeht, könnte ein Angebot an ihn lauten, sich für einen der freiwerdenden Senatorenposten beim Landesrechnungshof zu bewerben. Dort hat die SPD demnächst das Vorschlagsrecht für mindestens eine Stelle, heißt es.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg: Der bisherige Präsident Thomas Smollich ist seit November Justiz-Staatssekretär. Favorit der Regierung für die Nachfolge ist offenbar Ingo Behrens, Präsident des Verwaltungsgerichts Hannover. Beworben hat sich aber auch der frühere Staatssekretär Frank-Thomas Hett (CDU), der als Staatssekretär B9 hatte, vorher als Abteilungsleiter und Laufbahnbeamter B6. Dieses Statusamt ist höher als das von Behrens (R4), doch gegen Hett könnte eingewandt werden, dass Hett seine B6-Besoldung nur in der Probezeit erhalten hatte, da er rasch weiter aufgestiegen war. Verlangt werde aber ein Statusamt auf Lebenszeit. Offenbar will die Regierung aber noch früher ansetzen und Hetts Bewerbung für unzulässig erklären – denn er sei ja mit dem Regierungswechsel im November schon aus dem Justizdienst ausgeschieden und könne sich folglich gar nicht mehr auf ein Statusamt berufen. Gegen diese Sichtweise, die vermutlich nicht unumstritten ist, könnte Hett dann rechtlich vorgehen.

Dieser Artikel erschien am 28.3.2023 in Ausgabe #57.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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