7. Jan. 2019 · 
Wirtschaft

Verstoßen geplante Kontrollen der Wohnungen gegen das Grundgesetz?

Sollen Mitarbeiter von Städten und Gemeinden künftig die Chance haben, auch gegen den Wunsch der Bewohner in Wohnungen einzutreten und sich dort umzuschauen? Ein aktueller Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und CDU im Landtag sieht das vor – und zwar dann, wenn eine Gemeinde vorher eine entsprechende Satzung beschlossen hat und die Kontrolle das Ziel hat, eine „Zweckentfremdung“ von Wohnungen aufzudecken. Das gilt etwa für Touristengebiete, in denen Immobilienbesitzer ihre vier Wände ausgedehnt als Urlaubsdomizil anbieten und damit höhere Einnahmen erzielen. Das Gesetz zum Verbot von Zweckentfremdung wird von den Kommunen begrüßt. „Mit diesem Vorstoß erfüllt die Koalition eine langjährige Forderung unseres Verbandes“, sagt Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages (NST). Allerdings wünschen die Kommunen noch mehr – eine ähnliche Handhabe müsse es auch geben, wenn man effektiv gegen Verwahrlosung von Wohnungen angehen wolle. „Hier brauchen wir ein scharfes Schwert, das wir aber noch nicht haben“, erklärt  Arnin.

Wir müssen gegen sich immer häufiger zeigende Missstände wie Verwahrlosung oder Überbelegung von Wohnraum angehen.


Tatsächlich berühren die beiden Vorschriften, von denen nun eine schon als Entwurf im Landtag vorliegt, ein schwerwiegendes juristisches Problem. Im Entwurf des Gesetzes gegen Zweckentfremdung ist vorgesehen, dass Hausbesitzer oder -verwalter den Beauftragten der Gemeinde, also den Vertretern der Ordnungsämtern, den Zutritt zum Grundstück und zur Wohnung ermöglichen müssen. Das gilt zwar nur für Wochentage zwischen 7.30 und 19 Uhr, ist aber gleichwohl ein Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, das in Artikel 13 des Grundgesetzes festgelegt ist. Auf die Einschränkung dieses Grundrechts weist der Gesetzentwurf der beiden Regierungsfraktionen zwar hin – doch fraglich ist, ob die vermutete Zweckentfremdung ein hinreichender Grund ist, in dieses Grundrecht eingreifen zu können. Im Grundgesetz selbst heißt es, Eingriffe in das Grundrecht seien zur Abwehr einer gemeinen Gefahr, zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und zur Behebung von Raumnot erlaubt. Bei der Zweckentfremdung käme hier die Raumnot in Betracht. Es geht um Großstädte oder touristische Siedlungen auf den ostfriesischen Inseln, auf denen Wohnraum knapp ist und viele Wohnungen als Feriendomizile genutzt werden. Nach dem Gesetzentwurf liegt eine Zweckentfremdung vor, wenn mehr als die Hälfte der Wohnung für gewerbliche Zwecke genutzt wird, die Unterkunft für mehr als zwölf Wochen jährlich als Ferienwohnung genutzt wird oder länger als sechs Monate leer steht. Ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro wird vorgesehen – und nach den Worten von Arning ist das zu begrüßen: „So können wirtschaftliche Vorteile abgeschöpft werden.“

Grüne fordern Mindestnormen für Wohnungen

Aber die Kommunen fordern noch den nächsten Schritt, die Hand. „Wir müssen gegen sich immer häufiger zeigende Missstände wie Verwahrlosung oder Überbelegung von Wohnraum angehen“, betont der NST-Hauptgeschäftsführer. „Hier muss das Land noch liefern“. Die Grünen-Landtagsfraktion hatte schon vor einem halben Jahr einen eigenen Vorschlag vorgelegt, das Land Nordrhein-Westfalen hat ein „Wohnraumaufsichtsgesetz“ bereits seit Jahren. Es gibt rücksichtslose Vermieter, die etwa in Wohnblocks wie „Wollepark“ in Delmenhorst oder in Hochhaussiedlungen in Hannover eigene Unterkünfte vermieten, ohne auf die Einhaltung von Mindeststandards zu achten. Der NST spricht in diesem Zusammenhang von „ausbeuterischen“ Absichten der Eigentümer. Bis die Polizei oder die Ordnungsämter einschreiten dürfen, wie es ihrem Auftrag zur Abwehr von Gefahren gebietet, muss eine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ gegeben sein – doch diese Schwelle wird oft von den Fakten nicht überschritten. Das Gesetz in Nordrhein-Westfalen sieht, ebenso wie der Gesetzentwurf der Grünen in Niedersachsen, konkrete Mindestnormen für Wohnungen vor: Es muss eine Heizung geben, den Anschluss für einen Herd, den Stromanschluss und die gesicherten Wasser- und Abwasserleitungen. Die Wohnungen müssen eine bestimmte Raumhöhe haben und mindestens ein Raum zum Wohnen muss mindestens zehn Quadratmeter groß sein. Das Problem ist hier nur: Wenn auch in diesem Fall die Mitarbeiter der Ordnungsämter auch gegen den Willen der Bewohner Zutritt zur Wohnung bekommen sollen, ist das dann von den im Grundgesetz genannten Ausnahmen von Artikel 13 noch gedeckt? Die Antwort hängt davon ab, ob man in der Verwahrlosung einer Wohnung eine „dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ sehen kann. Das könnte juristisch schwierig zu begründen sein.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #001.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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