13. Nov. 2018 · Landwirtschaft

Verpflichtende Kameras in den Schlachthöfen? CDU und Grüne sind sich nah, streiten aber

Von Isabel Christian In der Sache sind sie sich einig. Dennoch gelingt es den Grünen und der CDU, die gestrige Landtagsdebatte um bessere Kontrollen an den Schlachthöfen zum unversöhnlichen Schlagabtausch zu gestalten. Neben gegenseitigen Schuldzuweisungen geht es hauptsächlich darum, wie mit organisierten Tierschützern umzugehen ist, die Beweismittel wie die Videos aus den beiden Schlachthöfen in Bad Iburg und Oldenburg angefertigt und verbreitet haben. Für eine verpflichtende, staatlich organisierte Kameraüberwachung sind auch beide Seiten. Aber auch hier gibt es im Plenum Hickhack um die Details. Jenseits der Sache geht es auch um die politische Strategie, die CDU will künftig in Themen ein Profil gewinnen, mit denen bisher die Grünen punkten können. Mit Tierwohl und ökologischer Landwirtschaft konnten die Grünen bei den beiden Landtagswahlen in Bayern und Hessen beeindrucken. In Niedersachsen profitiert die Partei ebenfalls vom Bundestrend, die Zahl ihrer Mitglieder ist gestiegen und immer mehr Bürger stimmen in Umfragen den Forderungen der Grünen in Sachen Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu. Die CDU indes will nicht nur etwas von diesem Kuchen abhaben, sie will die Chance auch nutzen, ihr Image von der Bauern-Partei abzulegen. „Ja, Frau Staudte, es ist beschämend, dass wir uns schon wieder mit dem Tierschutz befassen müssen“, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer zu seiner Vorrednerin Miriam Staudte von den Grünen. Beschämend sei es, weil wenige Wochen, nachdem im Landtag über die Tierschutzverstöße in einem Schlachthof in Bad Iburg diskutiert worden war, schon wieder über Tierschutzvergehen in Schlachthöfen gesprochen werden müsse, dieses Mal in Oldenburg. „Ich sage Ihnen, es muss und es wird ein Ende haben“, verspricht Toepffer. Staudte hatte zuvor gesagt, die dokumentierten Tierschutzvergehen bewiesen, dass es sich nicht um Einzelfälle handele, sondern um Fehler im System. Toepffer stellte das nicht infrage und kündigte zudem an, die Schlachthöfe ausnahmslos und lückenlos überwachen lassen zu wollen. „Und wenn das nur mit Videotechnik möglich ist, dann soll es eben mit Videotechnik geschehen.“ Der Datenschutz dürfe dabei kein Hindernis darstellen. Allerdings vertritt der CDU-Fraktionsvorsitzende die Auffassung, dass nur der Staat solche Aufnahmen anordnen könne, er will nicht auf die Zuarbeit von Tierschutzorganisationen bauen: „Wir sind aufgerufen, für Kontrolle zu sorgen. Nicht diejenigen, die oftmals illegal in Ställe und Schlachthöfe eindringen.“ Denn Organisationen wie Peta hätten nur das Tierwohl im Blick, nicht aber die „rechtschaffenden Erzeuger“. Sätze wie diese sind wohl wichtig, um die CDU-Stammwählerschaft in der Landwirtschaft nicht zu verprellen. Aus Sicht der Grünen werden mit solchen Formulierungen aber die verteufelt, die in beiden Fällen die Tierschutzverstöße erst aufgedeckt haben, nämlich ehrenamtliche Aktivisten. „Diesen engagierten Tierschützern sollten wir danken, statt ihnen weiterhin mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit zu drohen“, fordert Staudte. Derzeit diskutiert der Landwirtschaftsausschuss darüber, ob Tierschutzverbänden, die in ihrer Arbeit militant vorgehen, die Gemeinnützigkeit aberkannt werden soll. Auch in der Ankündigung der Videoüberwachung sieht Staudte Repressionen gegen Tierschützer und deren Arbeit. „Wenn die Schlachthöfe das selbst tun, dann steckt da auch eine Intention hinter. Zum Beispiel, Tierschützer vom Betriebsgelände zu halten, und es zu erleichtern, die Verantwortlichen zu identifizieren, falls belastendes Videomaterial auftaucht“, sagt die Grünen-Abgeordnete.
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Verärgerte Zwischenrufe von der CDU erntet Staudte für ihre Kritik am Vorhaben, das Videomaterial aus den verpflichtenden Aufnahmen nur den Veterinären zugänglich zu machen: „Was nützen Stunden von Videomaterial, das man nicht auswerten kann, weil das sämtliche personellen Kapazitäten übersteigt?“ Unterstützung in diesem Punkt erhalten die Grünen von der AfD, auch deren Fraktionsvorsitzende Dana Guth hält diesen Weg für nicht praktikabel. Die FDP spricht sich insgesamt gegen Kameras aus – und bezieht sich in der Argumentation auf die Urheber der heimlich gedrehten Videos: „Der Vertreter des Verbands ,Soko Tierschutz‘ hat im Agrarausschuss deutlich gesagt, dass eine verpflichtende Kameraüberwachung niemanden davon abhalten würde, gegen den Tierschutz zu verstoßen“, sagt der agrarpolitische Sprecher der Liberalen, Hermann Grupe. Wenn das Material nicht qualifiziert gesichtet werden könne, sei die Kameraüberwachung nur eine Scheinlösung. Katrin Logemann von der SPD wählt indes einen Zwischenweg: „Eine verpflichtende Kameraüberwachung ist richtig und wichtig, und kann ein Baustein für bessere Kontrollen sein“, sagte sie. Ein Allheilmittel seien die Kameras jedoch nicht.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #202.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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