Ein Interview des Verfassungsschutzpräsidenten Dirk Pejril in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ hat am Wochenende einigen Wirbel ausgelöst. Es entstand der Eindruck, das Landesamt für Verfassungsschutz sei inzwischen dabei, einige Landtagsabgeordnete der AfD zu überwachen. Am Montag stellte der Sprecher des Verfassungsschutzes, Frank Rasche, gegenüber dem Politikjournal Rundblick allerdings klar: „Die AfD als Partei wird als Verdachtsfall behandelt, nicht einzelne Abgeordnete oder Mitglieder.“

Nun heißt „Verdachtsfall“, dass der Verfassungsschutz die AfD Niedersachsen planmäßig beobachten und das Innenministerium über deren Arbeit aufklären soll – um zu ergründen, ob hier verfassungsfeindliche Bestrebungen auffallen. Das heißt allerdings auch, dass „nachrichtendienstliche Mittel“ eingesetzt werden dürfen: Beobachtung, Mithören, Beteiligung an der internen Kommunikation und verdecktes Observieren. Der Einsatz von V-Leuten gehört nur unter strengen Bedingungen zum Katalog der gestatteten Mittel.
„Im Landtag sitzen gewählte Abgeordnete einer Partei, die wir – wie gesagt – als Verdachtsfall beobachten.“
In dem Interview sagte Pejril, ohne dass die Reporter ihn direkt danach gefragt hätten, dass im Landtag aus seiner Kenntnis auch AfD-Abgeordnete sitzen, „die dem mittlerweile aufgelösten, als rechtsextremistisch eingestuften sogenannten Flügel zugeordnet werden konnten“. Namen nennt Pejril nicht. Die Eingangsfrage an den Verfassungsschutzpräsidenten hatte gelautet: „Bedeutet das: Im niedersächsischen Landtag sitzen Rechtsextremisten?“ Daraufhin antwortete Pejril: „Im Landtag sitzen gewählte Abgeordnete einer Partei, die wir – wie gesagt – als Verdachtsfall beobachten.“ Dies konnte man auch so verstehen, dass diese Abgeordneten nun vom Landesamt für Verfassungsschutz observiert oder mit anderen nachrichtendienstlichen Mitteln beleuchtet werden.
Auf Rundblick-Nachfrage wird das aber von Pejrils Sprecher Rasche verneint. Das „die“ in Pejrils Antwort beziehe sich auf die Partei, nicht auf die erwähnten Abgeordneten. Diese Unterscheidung ist nun wichtig, da die Hürden für eine Observation von Abgeordneten, also vom Volk gewählte Vertreter, höher sind als die Hürden für Parteien. Was die Tätigkeit des Verfassungsschutzes gegenüber Abgeordneten angeht, gibt es ein höchstrichterliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013, das den heutigen Ministerpräsidenten von Thüringen betrifft, den Linken-Politiker Bodo Ramelow. Dieser war wegen seiner PDS-Zugehörigkeit Objekt des Verfassungsschutzes gewesen, doch die Richter sahen darin eine Kollision mit dem freien Mandat eines Abgeordneten, das auch „Freiheit vor exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle“ bedeute. Man dürfe zwar auch Abgeordnete observieren, entschied das Bundesverfassungsgericht, doch dies müsse dann sehr sorgfältig geprüft und begründet werden. Observationen von Abgeordneten wären dann wohl möglich, sofern sie etwa als Parteipolitiker und Redner in Veranstaltungen auftreten. Das wäre wohl kaum möglich, wenn sie im geschützten Raum als Abgeordnete (etwa bei Gesprächen mit Wählern) agieren.

Welche Abgeordneten Pejril meinte als solche, die früher dem „Flügel“ der AfD angehörten, kann nur spekuliert werden. Bekannt ist, dass Stephan Bothe (Lüneburg) und Delia Klages (Hameln) früher enge Kontakte zum niedersächsischen „Flügel“-Koordinator Manfred Otto (Hameln) pflegten. Otto selbst, der beim jüngsten AfD-Landesparteitag aufgetreten war, zählt aber inzwischen zur innerparteilichen Opposition, die sich gegen den Landesvorstand richtet und damit auch gegen die Landtagsfraktion, die stark vom Landesvorstand dominiert wird. Insofern sind die alten „Flügel“-Strukturen bei der AfD Niedersachsen inzwischen eher verwischt.
Diskussion um Oldenburger Polizeipräsidenten: Gegen den Oldenburger Polizeipräsidenten Johann Kühme hat die AfD inzwischen Dienstaufsichtsbeschwerde bei Innenministerin Daniela Behrens (SPD) eingereicht. Kühme hatte in einem Interview der AfD Täuschung vorgeworfen und die Partei als „Gefahr für die innere Sicherheit“ bezeichnet. Die AfD meint nun, dass Kühme seine Neutralitätspflicht als Beamter verletzt habe. Kühme selbst hatte in dem Interview erklärt, die AfD habe – auch in Niedersachsen – falsche Behauptungen zu angeblichen kriminellen Vorkommnissen im Lande verbreitet, die gar nicht stattgefunden hätten. Sie tue das, um Stimmungen etwa gegen Ausländer zu erzeugen.