Sind neben Bund und Ländern auch die Kommunen in Deutschland verpflichtet, Beschlüsse für den Klimaschutz zu fassen? Die Jura-Professorin und Bundesverfassungsrichterin Gabriele Britz sieht das eindeutig so. In jeder einzelnen Kommune müssten die Entscheidungen so fallen, dass das deutsche Ziel eine Neutralität der Treibhausgasemissionen bis 2045 dabei unterstützt wird, schreibt Britz in einem Aufsatz für die „Niedersächsischen Verwaltungsblätter“. Für die Richterin folgt das zum einen aus dem Klimagesetz des Bundes, zum anderen aus einem einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu vom 24. März 2021. Die Argumentation, dass kleine Kommunen mit Maßnahmen zum weltweiten Problem der Klimaerwärmung kaum einen wirkungsvollen Beitrag leisten können, greife nicht. Das Klimaschutzgesetz des Bundes verpflichte alle politischen Ebenen – und gebe sogar Jahresziele vor.

Britz, die aus Hessen kommt, hat das vor knapp zwei Jahren ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimaschutzpolitik als Mitglied des Ersten Senates maßgeblich geprägt. In diesem Beschluss legten die Richter zum einen fest, dass das Umweltschutz-Staatsziel im Grundgesetz (Artikel 20a) eine Verpflichtung des Staates zum Klimaschutz beinhaltet. Zum anderen wurde von den Richtern bemängelt, dass die jährlichen Festlegungen über 2030 hinaus im bisherigen, 2019 beschlossenen Klimaschutzgesetz nicht konkret genug sind. Außerdem wurde auf die Lasten für die kommenden Generationen hingewiesen, die enorm sind und von den Politikern berücksichtigt werden müssten.
In ihrem jetzigen Aufsatz für die „Niedersächsischen Verwaltungsblätter“ führt Britz das nun aus – und nimmt dabei konkret die Kommunen in den Blick. Die Professorin nennt dafür zunächst die rechtlichen Grundlagen. In Artikel 2 des Grundgesetzes ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit beschrieben, in Artikel 14 das Eigentumsrecht. Beide Ansprüche richteten sich gegen den Staat – und begründeten damit die Pflicht des Staates, in beiden Fällen die Bürger vor negativen Folgen des Klimawandels zu bewahren. Das Umweltschutz-Staatsziel in Artikel 20a komme noch hinzu. Für Britz folgt gerade aus Artikel 20a, dass die Politik ihre Gesetzgebung auf die Treibhausgas-Neutralität und das Gebot des Klimaschutzes ausrichten müsse.

Dabei trete nun das Problem auf, dass heutige CO2-Emissionen das langfristig erträgliche Kohlendioxid-Budget aufzehrten – mit der Folge, dass eine heute zu zögerliche und zu langsame Begrenzung der Treibhausgas-Ausstöße in der Zukunft härtere Maßnahmen und stärkere Einschnitte in die Grundrechte der Menschen erforderlich mache. Bund und Land, aber auch die Kommunen seien nach der Gesetzgebung und Rechtsprechung unmittelbar zum Klimaschutz verpflichtet, es brauche dazu nicht noch eine besondere Aufforderung durch weitere Bundes- oder Landesgesetze. Auch wenn es keine konkreten Vorgaben gebe, welche Schritte eine Kommune für den Klimaschutz gehen müsse, gelte doch die Verpflichtung für jede Kommune, in diesem Sinne zu handeln.
Britz räumt nun ein, dass die Bürger „mit Skepsis und Ablehnung“ auf kommunale Klimaschutzbeschlüsse reagieren könnten – so auf Sperrungen von Straßen, die Auflösung von Parkplätzen oder Tempobeschränkungen, auch auf den Bau neuer Windräder. Sie sieht ein mögliches „Spannungsverhältnis zwischen dem Klimaschutzgebot und dem Demokratieprinzip“. Sogar ein „Antagonismus zwischen Staat und Gesellschaft“ könne aus solchen Konflikten erwachsen. Das sei vor allem deshalb ärgerlich, weil die kommunale Selbstverwaltung gerade doch darauf ziele, einen solchen Antagonismus eben ganz praktisch zu vermeiden. Britz sieht nun zwei mögliche Lösungswege. Zum einen könnten die Gerichte mit ihren Urteilen dazu beitragen, dass die Politik handele und nicht wegen des Konflikts zwischen Klimaschutz und Bürgerwille im Nichtstun verharre. Der andere Weg sei auf die Verwaltung gerichtet und könne etwa vorsehen, dass Kommunen oder auch Bürgergruppen vom Betrieb von neuen Windkraftanlagen unmittelbar profitieren können – beispielsweise über spezielle Abgaben. Klare Klimaschutzvorgaben in der Bundes- und Landesgesetzgebung könnten sinnvoll sein, damit der örtliche Widerstand das Klimaschutzgebot der Politik nicht zerreibt.