Reisen, Fitnessstudios und Mobilfunk-Verträge: Bei diesen Themen haben die Niedersachsen im Corona-Jahr 2020 besonders großen Beratungsbedarf gehabt. Doch die Verbraucherzentrale selbst rückte bei ihrer Jahrespressekonferenz in Hannover gestern ein anderes Problemfeld in den Fokus. „Es gibt zu viele Verbraucher, die total enttäuscht von der Riester-Rente sind“, sagte Geschäftsführerin Petra Kristandt und forderte: „Es muss etwas passieren. Die Riester-Rente ist gescheitert.“

„Wir sind gut durch die Krise gekommen, wir haben nicht mal ein blaues Auge bekommen“, lautete die Jahresbilanz von Vorstandschef Randolph Fries. Die niedersächsischen Verbraucherschützen verzeichneten 1,4 Millionen Besucher im Internet und mehr als 82.000 Beratungen. Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr, obwohl die Beratungsstellen im Jahr 2020 drei Monate lang wegen der Corona-Pandemie geschlossen blieben. Etwa die Hälfte der Beratungen seien per Telefon und Videotelefonie geschehen. Nicht nur die Verbraucherzentrale habe sich digital besser aufgestellt, sondern auch bei den Verbrauchern stellte Fries einen „Digitalisierungsschub“ fest. Fries: „Mir geht das Herz auf, wenn Sie da eine 70-jährige Dame aus dem Harz haben, die sich per Video zu ihrem aktuellen Handytarif beraten lässt.“
Die Corona-Regeln haben die Verbraucher in Niedersachsen nachweislich erheblich verunsichert. „Im vergangenen Jahr ging es lange Zeit fast ausschließlich ums Reiserecht, um Ärger mit Fitnessstudios und abgesagte Veranstaltungen“, berichtete Kristandt. „Jetzt merken wir, dass sich die Schwerpunkte erneut verschieben.“ Beim Kauf von Einrichtungsgegenständen gebe es derzeit so viel Beratungsbedarf, dass es das Problem in die Top 5 geschafft hat. Hier hätten vielen Kunden über plötzliche Preissteigerungen bei Online-Bestellungen geklagt. Auch Fragen zu Mobilfunk- und Internetverträgen hätten wieder zugenommen.
Besonders irritiert zeigte sich Kristandt über das Geschäftsgebaren einiger Fitnessstudios. Die niedersächsische Kette „Fitnessland GmbH“ etwa hatte die Mitgliedsbeiträge über Nacht um bis zu 50 Prozent erhöht, was die Verbraucherzentrale als nicht zulässige Preisanpassung wertete. „Aus unsere Sicht müsste es den Anbietern jetzt darum gehen, die Kunden mit guten Hygienekonzepten wieder in die Studios zu locken, und nicht mit Preisspielchen abzuschrecken“, kritisierte Kristandt.

Auch Finanzthemen beschäftigen die Verbraucher. „Solche Fälle haben eine andere Dimension, als wenn sie sich einmal darüber ärgern, dass sie 300 Euro zu viel fürs Fitnessstudio gezahlt haben“, sagte Kristandt, der die private Altersvorsorge ein besonderes Anliegen ist. Die Verbraucherschützerin betont: „Das Scheitern der Riester-Rente nimmt vielen Sparerinnen und Sparern die Chance, Vermögen für das Alter aufzubauen und ihr Geld in sinnvolle Anlageformen zu investieren. Ich kann jede und jeden mur ermutigen, das Thema anzugehen und vorhandene Verträge überprüfen zu lassen.“ Dazu bietet die Verbraucherzentrale Niedersachsen ab sofort einen „Riester-Check“ an, bei dem Experten eine konkrete Handlungsempfehlung geben, wie die Kunden mit ihrem Riester-Vertrag umgehen sollten.
Teilweise müssten die Kunden 120 Jahre alt werden, um die eingezahlten Beiträge vollständig zurückzuerhalten.
Petra Kristandt, Geschäftsführerin Verbraucherzentrale Niedersachsen
Die Verbraucherzentrale sieht bei der Riester-Rente folgende Probleme: Hohe Kosten fressen die möglichen Renditen auf, während niedrige Zinsen die Renten zusätzlich sinken lassen. „Teilweise müssten die Kunden 120 Jahre alt werden, um die eingezahlten Beiträge vollständig zurückzuerhalten“, berichtete Kristandt. Doch wer aus einem bestehenden Vertrag aussteigt oder auf die Verrentung verzichten möchte, müsse bereits erhaltene Förderungen und Steuervorteile zurückzahlen. Gerade für junge Menschen könne einige Kündigung aber trotzdem die beste Option sein, sagte Kristandt. Um die Verluste auszugleichen, könne das Geld etwa in einen ETF-Sparplan angelegt werden. Zudem forderte sie die nächste Bundesregierung auf, sich mit dem Problem Riester-Rente zu beschäftigen.
Fries appellierte an die niedersächsische Landesregierung, die Finanzierung der Verbraucherzentrale zu verbessern. „Seit Jahren kämpfen wir für eine Erhöhung der institutionellen Förderung. Die Zusage muss jetzt endlich kommen, damit wir unsere Arbeit in gewohnter Qualität fortsetzen können“, sagte der Vorstandschef. Die Basisförderung des Landes sei seit 2013 unverändert und mit der Finanzierung aus dem Glücksspielgesetz könne man nur schlecht planen, weil das Geld erst im Laufe des Jahres überwiesen werde. Die Zuwendung für 2020 habe man deswegen gar nicht mehr ausgeben können, sie sei nur noch als Rückstellung in den Jahreshaushalt eingeflossen. „Unter Umständen können wir demnächst die eine oder andere Stelle nicht mehr besetzen“, mahnte Fries, der die Verbraucherzentrale bei der Beratung gerne breiter aufstellen würde.