
Zehn Jahre nach Einführung der sogenannten „Frühen Hilfen“ zur Unterstützung junger Mütter und Familien zieht der Vorsitzende der Stiftung „Eine Chance für Kinder“, Prof. Adolf Windorfer, insgesamt eine positive Bilanz – wenngleich die Zahlen des vergangenen Jahres ihm auch Sorgen bereiten. „Die Fachkräfte ‚Frühe Hilfen‘ treffen auf viele Problemlagen, die Gefahren für Vernachlässigung in sich bergen“, erläutert der frühere Leiter des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, der sich schon seit vielen Jahren gemeinsam mit seiner Frau Celia Windorfer in der in Hannover ansässigen Stiftung engagiert. Auf ihre Initiative geht das Modell der sogenannten Fachkräfte „Frühe Hilfen“ zurück, dessen Ziel es ist, Eltern beziehungsweise Mütter aus prekären Verhältnissen in den ersten Monaten nach der Geburt besonders eng zu begleiten, um sie an ihre neue Rolle heranzuführen und zu unterstützen.
„Neben schwerwiegenden psychischen Problemen oder Drogenabhängigkeit spielen schwierige ökonomische Verhältnisse, Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse und Partnerschaftskonflikte eine wesentliche Rolle in den betreuten Familien“, erläutert Prof. Windorfer die Problemstellung, mit der sich die Fachkräfte auseinandersetzen. Diese sind häufig eigentlich freiberuflich oder in Teilzeit als normale Hebammen tätig, manche arbeiten auch halbtags als Kinderkrankenschwester und haben sich mit einer in Niedersachsen staatlich anerkannten Weiterbildung entsprechend qualifiziert, um sich in den Familien um die Problemlagen kümmern zu können.

Insgesamt 20 Kommunen in Niedersachsen haben sich im vergangenen Jahr noch an einer standardisierten Dokumentation der Arbeit der Fachkräfte „Frühe Hilfen“ beteiligt. Das ist ein leichter Rückgang, die höchste Beteiligung gab es in den Jahren 2016 und 2017, als sogar 25 Kommunen die Fragebögen ausgefüllt haben. Auch die Quote der betreuten Säuglinge ist im Jahr 2021 geringer ausgefallen als in den Vorjahren. „Die Daten zeigen, dass im Jahr 2021 die Zahl der betreuten Säuglinge mit 4,4 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgesunken war, obwohl in ‚Corona-Zeiten‘ die Zahl der erforderlichen Betreuungen mit Sicherheit erheblich höher gewesen wäre“, sagt Prof. Windorfer.
Schätzungen zufolge benötigten etwa 12 bis 15 Prozent aller Säuglinge und ihre Eltern dringend eine entsprechende Unterstützung, um Kindesvernachlässigung zu vermeiden. Davon war man allerdings auch in den vorherigen Jahren weit entfernt. Die Zahl der betreuten Säuglinge schwankte in den vergangenen Jahren zwischen 5,6 und 6,1 Prozent. Doch Prof. Windorfer sieht das Positive: „Wenigstens konnten jedoch bei den von Fachkräften ‚Frühe Hilfen‘ betreuten Kindern gute Erfolge erzielt werden“. Insgesamt liefen im vergangenen Jahr 1487 Betreuungen dieser Art, in 779 Fällen konnte die Begleitung durch die Fachkräfte beendet werden. In 81,9 Prozent dieser Fälle sei nach Beendigung der Betreuung eine Verbesserung der Lage festgestellt worden, erläutert Prof. Windorfer anhand der Fragebogenauswertungen.
Besonders häufig haben sich die Fachkräfte „Frühe Hilfen“ im vergangenen Jahr mit Schwangeren oder Müttern in einer schwierigen psychosozialen Lage beschäftigen müssen. In insgesamt 522 Betreuungen war das der Fall, was einer Quote von 67,1 Prozent entspricht. Ein besonderes Augenmerk richtet die Stiftung „Eine Chance für Kinder“ auch auf die sogenannten Teenie-Mütter. Insgesamt 57 Mütter, die jünger als 18 Jahre waren, haben das Angebote der „Frühen Hilfen“ in Anspruch genommen. „Dies ist als besonders positiv hervorzuheben, denn für diese Altersgruppe ist eine aufsuchende Hilfe besonders wichtig, da bei den Kindern dieser Mütter etwa fünfmal häufiger eine Kindeswohlgefährdung droht als bei Kindern etwas älterer Mütter“, heißt es im Bericht.
Für die Zukunft hofft Prof. Windorfer wieder auf eine höhere Beteiligung. Besonders wichtig sei es, mit der Betreuung bereits während der Schwangerschaft zu beginnen, erläuterte er. Im vergangenen Jahr war dies aber nur in 43,2 Prozent der Betreuungen der Fall. Prof. Windorfer erklärte, dass man seitens der Stiftung die beteiligten Kommunen noch einmal darauf aufmerksam gemacht habe, wie wichtig ein früher Betreuungsbeginn sei.