28. Juli 2021 · 
Inneres

Unruhige Zeiten für OB Onay in Hannover

Der hannoversche Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) bekommt nach einer langen Phase der relativen Harmonie im Rat nun verstärkt Gegenwind zu spüren. Der Ton ist auch schärfer geworden, nachdem die Grünen in der vergangenen Woche das bisherige Ratsbündnis aus SPD, Grünen und FDP aufgekündigt hatten. Dieser Schritt an sich versetzt die Landeshauptstadt nun nicht in Handlungsunfähigkeit, da in nicht einmal zwei Monaten sowieso Kommunalwahlen sind und die Karten neu gemischt werden. Im November startet die nächste Wahlperiode. Aber immerhin wird derzeit eine Erschütterung in einer Koalition erkennbar, die seit der Kommunalwahl 2016 zunächst relativ reibungslos funktioniert hatte – damals noch unter Onays sozialdemokratischem Vorgänger Stefan Schostok.

Das lässt für die Zukunft nichts Vielversprechendes erahnen. Die Grünen reagierten mit dem Bruch des Bündnisses auf eine Abstimmungsniederlage im Rat. Die Bewerberin der Grünen für das Amt der Umwelt- und Wirtschaftsdezernentin, Anja Ritschel (Grüne), war in der geheimen Wahl im Rat durchgefallen, mindestens drei Ratsmitglieder aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP folgten Onays Empfehlung nicht. War das eine Retourkutsche dafür, dass Onay einst den SPD-Wunschbewerber für die Position des Baudezernenten abgelehnt und auf einem anderen Vorschlag beharrt hatte? Dieser Streit endete damals nach einigen Wochen doch noch glimpflich, immerhin.


https://soundcloud.com/user-59368422/klartext-am-sonntag-mit-belit-onay-ausgabe-17

Doch die aktuelle Lage vor allem zwischen SPD und Grünen in Hannover scheint über das normale Wahlkampf-Maß hinaus verkrampft – und das ist ein Zustand, der nicht alle Strategen auf beiden Seiten erfreuen dürfte. Denn zum einen spricht wegen der chronischen Schwäche der CDU in der Landeshauptstadt viel dafür, dass nach den Wahlen wieder SPD und Grüne die stärksten Kräfte im nächsten Rat der Stadt werden dürften – und damit liegt auch die Notwendigkeit ihrer weiteren Zusammenarbeit für die Mehrheitsbildung nah.

Zum anderen, und das ist noch bedeutender, wird am 12. September auch der Präsident der Region Hannover neu gewählt, als aussichtsreiche Bewerber gelten Steffen Krach (SPD), Christina Karasch (CDU) und Frauke Patzke (Grüne). Sollte die CDU-Frau in die Stichwahl kommen, läge eine Verständigung von SPD und Grünen auf Krach oder Patzke nah – aber ein nachhaltiger Streit zwischen beiden Parteien in der Landeshauptstadt könnte auch auf das Verhältnis der Parteien in der Region (die Landeshauptstadt und Umland umfasst) ausstrahlen und einen rot-grünen Pakt vor der Stichwahl blockieren. Das könnte folgenreich sein.

Vor allem die SPD rechnet scharf und unverblümt mit Onays Politik ab

Die SPD in der Landeshauptstadt, die nach der Niederlage ihres Bewerbers Marc Hansmann im Herbst 2019 ertragen musste, nach 70 Jahren von der Spitze der Stadt verdrängt zu werden, zeigt sich seit Monaten rege und aktiv, dabei liefern sich ihre Kommunalvertreter häufig kleinere Raufereien mit dem OB. Ein wichtiger Auslöser für die Misshelligkeiten ist die Verkehrspolitik. Onay machte seine Ankündigung wahr und schuf in der Stadt mehrere „Experimentierräume“ – er ließ eine Brücke, eine Straße und einige Plätze für den Autoverkehr sperren, damit auf den Flächen kulturelle Angebote und Treffpunkte entstehen konnten.

Der Erfolg der Aktion ist umstritten, etliche Geschäftsleute beschwerten sich, dass wegen fehlender Parkplätze in Innenstadtnähe auch Kunden weggeblieben seien. Andere meinten, die Stadt habe ihre Konzepte nicht intensiv genug mit Anwohnern und mit dem Einzelhandel besprochen. Wieder andere beklagten sich, die Zahl der Verkehrsstaus in Hannover habe seit Beginn dieser Sperrungen erheblich zugenommen. Onay indes zeigte mit seinem Vorgehen, dass er sein Fernziel einer autofreien Innenstadt tatsächlich ernst nimmt und gewillt ist, in diese Richtung mehrere Veränderungen anzupeilen. Nun ist es aber in diesen Zeiten des Wahlkampfes vor allem die SPD, die scharf und unverblümt mit Onays Politik abrechnet. Seit dem von den Grünen verkündeten Ende des Ratsbündnisses umso mehr.


https://soundcloud.com/user-59368422

Jüngste Eskalation im hannoverschen Streit ist eine Einladung des OB an alle Fraktionen im Rat zu einer Videokonferenz, es sollte ein Gedankenaustausch über die aktuelle Situation sein. Da auch die AfD und die rechtsstehenden „Hannoveraner“ eine solche Einladung bekamen, reagierten SPD, Grüne, FDP und CDU empört. Der SPD-Ratsfraktionschef sprach Onay gar ab, eine „Haltung“ zu haben, denn man habe doch 2016 vereinbart, nicht mit Rechtsextremisten zusammenarbeiten zu wollen. In diesem Punkt gab der OB klein bei. Aus Onays Umfeld wurde erklärt, Ursache für die Einladung an AfD und „Hannoveraner“ sei ein „Büroversehen“ gewesen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #143.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Foto: Wallbaum
Landeskabinett macht den Weg frei für den Klima-Bürgerrat und legt Sektorziele fest
6. Mai 2025 · Niklas Kleinwächter4min
Niedersachsens Polizeipräsident Axel Brockmann. | Foto: Link
Tödliche Polizeischüsse: Ermittler gehen offenbar von einer Notsituation aus
8. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min
Applaus für den Kanzler: Um 16.15 Uhr hat es Friedrich Merz endlich geschafft. | Foto: Bundestag/Screenshot: 
 Link
Entsetzen auch in Hannover: Holprige Wahl des Kanzlers löst helle Aufregung im Landtag aus
6. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min